So finster die Nacht
während Staffan sie liebkoste? Wurde sie bei dem Gedanken an die Pistolen unter der Matratze geil? Wurde sie?
Staffan schlug den Schlussakkord an, ließ ihn verklingen. Tommy zog den Finger aus dem mittlerweile ziemlich großen Loch in der Couch. Mama nickte Staffan zu, nahm seine Hand und setzte sich neben ihn auf den Klavierhocker. Aus Tommys Blickwinkel hing die Jungfrau Maria genau über ihren Köpfen, als wäre dies ein Effekt, den sie von vornherein beabsichtigt, einstudiert hatten.
Mama sah Staffan an, lächelte und wandte sich an Tommy.
»Tommy. Es gibt da etwas, das wir dir erzählen möchten.«
»Ihr wollt heiraten?«
Mama zögerte. Falls sie das vorher mit Bühnenbild und allem geprobt hatten, dann war diese Replik offenkundig nicht inbegriffen gewesen.
»Ja. Was sagst du dazu?«
Tommy zuckte mit den Schultern.
»Okay. Tut das.«
»Wir dachten … vielleicht im Sommer.«
Mama sah ihn an, als wollte sie hören, ob er eventuell einen besseren Vorschlag hatte.
»Ja, ja. Sicher.«
Er steckte den Finger wieder in das Loch, beließ ihn dort. Staffan lehnte sich vor.
»Ich weiß natürlich, dass ich deinen … Papa nicht ersetzen kann. In keinster Weise. Aber ich hoffe, dass du und ich … einander kennen lernen können und … nun ja. Dass wir Freunde werden können.«
»Und wo werdet ihr wohnen?«
Mama sah plötzlich traurig aus.
»Wir, Tommy. Es geht hier auch um dich. Wir wissen es noch nicht. Aber wir überlegen, eventuell ein Haus in Ängby zu kaufen. Wenn das geht.«
»In Ängby.«
»Ja. Was hältst du davon?«
Tommy betrachtete die Platte des Glastisches, in der sich seine Mutter und Staffan halbdurchsichtig, wie Gespenster, spiegelten. Er kramte mit dem Finger in dem Loch, kratzte ein Stück Schaumgummi los.
»Teuer.«
»Wie bitte?«
»Ein Haus in Ängby ist teuer. Kostet viel Geld. Habt ihr so viel Geld?«
Staffan wollte gerade antworten, als das Telefon klingelte. Er strich Tommys Mutter über die Wange und ging zum Telefon im Flur. Mama setzte sich neben Tommy auf die Couch, fragte: »Gefällt dir das nicht?«
»Ich bin ganz begeistert.«
Aus dem Flur hörte man Staffans Stimme. Sie klang erregt.
»Das gibt’s doch … ja, ich komme sofort. Sollen wir … nein, dann fahre ich direkt hin. Gut. Tschüss.«
Er kehrte ins Wohnzimmer zurück.
»Der Mörder ist im Schwimmbad von Vällingby. Auf der Wache ist keiner, also muss ich …«
Er eilte ins Schlafzimmer, und Tommy konnte hören, dass der Safe geöffnet und wieder geschlossen wurde. Staffan zog sich um und kehrte kurz darauf in voller Polizeimontur zurück. Seine Augen wirkten leicht geisteskrank. Er gab Tommys Mutter einen Kuss auf den Mund und schlug Tommy aufs Knie.
»Ich muss sofort los. Weiß nicht, wann ich wieder zurück bin. Wir reden später weiter.«
Er hastete in den Flur, gefolgt von Tommys Mutter.
Tommy hörte »sei vorsichtig« und »ich liebe dich« und »bleibst du?«, während er zum Klavier ging und, ohne recht zu wissen warum, den Arm ausstreckte und nach der Skulptur des Pistolenschützen griff … Sie wog schwer in seiner Hand, das waren mindestens zwei Kilo. Während Mama und Staffan sich voneinander verabschiedeten – Die Sache gefällt ihnen. Der Mann, der in den Krieg zieht. Das schmachtende Weib –, ging er auf den Balkon hinaus. Kalte Abendluft füllte seine Lunge, und er konnte zum ersten Mal seit Stunden atmen.
Er beugte sich über das Balkongeländer, sah, dass darunter dichte Sträucher wuchsen. Er hielt die Skulptur über das Geländer, ließ los. Raschelnd fiel sie in die Sträucher.
Mama trat auf den Balkon hinaus und stellte sich neben ihn. Sekunden später öffnete sich die Haustür, und Staffan kam heraus und eilte im Laufschritt zum Parkplatz. Mama winkte ihm zu, aber Staffan schaute nicht auf. Als er unter dem Balkon vorbeiging, musste Tommy kichern.
»Was ist?«, fragte Mama.
»Nichts.«
Nur, dass ein kleiner Kerl mit Pistole in den Sträuchern steht und auf Staffan zielt. Das ist alles.
Tommy fühlte sich trotz allem ganz okay.
*
Die Truppe war durch Karlsson verstärkt worden, den einzigen der Jungs, der einen »richtigen Job« hatte, wie er selber es ausdrückte. Larry war Frührentner, Morgan jobbte gelegentlich auf einem Schrottplatz, und wovon Lacke lebte, wusste keiner so genau. Manchmal hatte er einfach ein bisschen Kohle.
Karlsson hatte eine feste Stelle im Spielzeuggeschäft von Vällingby. Früher hatte es ihm gehört, aber er war gezwungen gewesen, es auf
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