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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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vor, einem Kumpel die Bullen auf den Hals zu hetzen wie ein Polizeispitzel.
    Eine graugesprenkelte Katze knuffte ihren Kopf gegen sein Schienbein. Er hob sie sich auf den Schoß, streichelte abwesend ihren Rücken. Spielt es noch eine Rolle? Jocke war tot, jetzt hatte er Gewissheit. Welche Bedeutung hatte das andere im Grunde noch?
    Morgan stand auf, ging mit dem Glas in der Hand zum Fenster.
    »Hast du hier gestanden? Als du es gesehen hast?«
    »… ja.«
    Morgan nickte, nuckelte an seinem Drink.
    »Tja, dann verstehe ich. Von hier aus sieht man wirklich alles. Verdammt schöne Bude, übrigens. Tolle Aussicht. Na ja, abgesehen von … tolle Aussicht.«
    Eine Träne lief Lackes Wange herab. Virginia nahm seine Hand und drückte sie. Lacke nahm einen tüchtigen Schluck, um den Schmerz fortzubrennen, der seine Brust zerriss.
    Larry, der eine Weile die Katzen beobachtet hatte, die sich sinnlosen Mustern folgend im Zimmer bewegten, trommelte mit den Fingern auf seinem Glas und sagte: »Und wenn man ihnen nur einen Tipp geben würde? Über den Tatort? Vielleicht finden sie dann Fingerabdrücke und … was sie halt so finden.«
    Karlsson lächelte.
    »Und wie sollen wir ihnen erklären, woher wir das wissen? Dass wir es einfach wissen? Sie werden sich bestimmt dafür interessieren, wie … von wem wir das wissen.«
    »Wir könnten doch anonym anrufen. Damit sie es erfahren.«
    Gösta murmelte etwas auf der Couch. Virginia lehnte sich näher zu ihm hin.
    »Was hast du gesagt?«
    Gösta sprach mit schwacher, ganz schwacher Stimme, während er in sein Glas hinabsah.
    »Entschuldigt. Aber ich habe zu große Angst. Ich kann das nicht.«
    Morgan wandte sich am Fenster um, machte eine wegwerfende Geste.
    »Dann ist es eben so. Ende der Diskussion.« Er sah Karlsson scharf an. »Wir müssen uns etwas einfallen lassen. Die Sache auf andere Art hinbekommen. Eine Zeichnung machen, anrufen, was auch immer. Wir lassen uns etwas einfallen.«
    Er ging zu Gösta und stupste seinen Fuß mit den Zehenspitzen an.
    »Hörst du, Gösta, jetzt reiß dich mal zusammen. Wir regeln das auch so. Mach dir keine Sorgen. Gösta? Hörst du, was ich sage? Wir regeln das. Prost!«
    Er streckte sein Glas aus, stieß mit Göstas an und nahm einen Schluck.
    »Wir kriegen das schon hin. Oder nicht?«
    *
    Er hatte sich vor der Schwimmhalle von den anderen getrennt und sich auf den Heimweg gemacht, als er ihre Stimme von der Schule her hörte.
    »Psst. Oskar!«
    Er kam die Treppe herunter, und sie trat aus dem Schatten. Sie hatte dort gesessen und auf ihn gewartet. Dann hatte sie gehört, wie er sich von den anderen verabschiedet und sie ihm geantwortet hatten, als wäre er ein ganz normaler Mensch.
    Das Training war gut gewesen. Er war gar nicht so schwach, wie er immer geglaubt hatte, schaffte mehr als manch anderer Junge, der schon öfter dabei gewesen war. Seine Sorge, der Lehrer könnte ihn darüber ausfragen, was auf dem Eis passiert war, erwies sich als unberechtigt. Ávila hatte ihn nur gefragt: »Möchtest du darüber reden?«, und als Oskar den Kopf geschüttelt hatte, war die Sache für ihn erledigt gewesen.
    Die Schwimmhalle war eine andere, von der Schule getrennte Welt. Der Lehrer war weniger streng als sonst, und die anderen Jungen ließen ihn in Ruhe. Micke war allerdings nicht da gewesen. Hatte Micke jetzt etwa Angst vor ihm? Der Gedanke war schwindelerregend.
    Er ging Eli entgegen.
    »Hallo.«
    »Hi.«
    Ohne ein Wort darüber zu verlieren, hatten sie das Grußwort getauscht. Eli trug ein viel zu großes kariertes Hemd und sah wieder so … verkümmert aus. Die Haut war trocken und das Gesicht abgemagert. Schon gestern Abend hatte Oskar die ersten weißen Haare bemerkt, und heute Abend waren es noch mehr.
    Wenn sie gesund war, war sie für Oskar das süßeste Mädchen, das er je gesehen hatte. Aber so, wie sie jetzt war … das ließ sich überhaupt nicht vergleichen. Kein Mensch sah so aus. Höchstens Liliputaner. Aber Liliputaner waren nicht so schmal, so … es gab einfach nichts Vergleichbares. Er war froh, dass sie sich den anderen Jungen nicht gezeigt hatte.
    »Wie geht’s?«, fragte er.
    »Geht so.«
    »Sollen wir was machen?«
    »Klar.«
    Seite an Seite machten sie sich auf den Heimweg. Oskar hatte einen Plan. Sie würden einen Bund eingehen. Wenn sie einen Bund eingingen, würde Eli gesund werden. Es war ein magischer Gedanke, inspiriert von den Büchern, die er las. Aber Magie … natürlich gibt es Magie, und nicht zu knapp. Für

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