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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Eli anstarrte, die ihre Zunge herausstreckte und den schmutzigen Zement ableckte, mit der Zunge über die Stelle fuhr, auf die Oskars Blut gefallen war.
    Eine Flasche klirrte schwach und hörte auf zu wackeln. Eli leckte und leckte den Fußboden ab. Als sie den Kopf hob, saß auf ihrer Nasenspitze ein grauer Schmutzfleck. »Geh … bitte … geh …«
    Dann flog erneut diese Spukgestalt in ihr Gesicht, doch ehe sie die Oberhand gewinnen konnte, richtete Eli sich auf, lief durch den Kellergang davon, öffnete die Tür zu ihrem Haus und verschwand.
    Oskar blieb, die verletzte Hand zur Faust geballt, zurück. Blut sickerte allmählich in den Ritzen hervor. Er öffnete die Hand, betrachtete die Wunde. Das Messer war tiefer eingedrungen, als er beabsichtigt hatte, aber er glaubte nicht, dass es gefährlich war. Das Blut fing bereits an zu gerinnen.
    Er betrachtete den nunmehr bleichen Fleck auf dem Kellerboden. Anschließend leckte er kostend etwas von dem Blut auf seinem Handteller ab, spuckte aus.
    *
    Nachtbeleuchtung.
    Morgen früh würden sie Mund und Hals operieren. Sie hofften sicher, dass dabei etwas herauskommen würde. Die Zunge war noch da, er konnte sie in der versiegelten Mundhöhle bewegen, seinen Gaumen mit ihr kitzeln. Vielleicht würde er sogar wieder sprechen können, obwohl die Lippen fort waren. Aber er hatte gar nicht vor zu sprechen.
    Eine Frau, er wusste nicht, ob sie Krankenschwester oder Polizistin war, saß wenige Meter entfernt in der Zimmerecke und las ein Buch, bewachte ihn.
    Setzen sie so viel Personal ein, nur weil irgendjemand sein Leben für beendet hält?
    Er hatte erkannt, dass er wertvoll war und sie sich viel von ihm versprachen. Vermutlich waren sie in diesem Moment dabei, alte Akten herauszusuchen, Fälle, die sie mit ihm als Täter zu lösen hofften. Am Nachmittag war ein Polizeibeamter da gewesen und hatte seine Fingerabdrücke abgenommen. Er hatte sich dem nicht widersetzt. Es spielte keine Rolle.
    Möglicherweise würde man ihn über die Fingerabdrücke mit den Morden in Växjö und Norrköping in Verbindung bringen können. Er hatte versucht, sich ins Gedächtnis zu rufen, wie er damals vorgegangen war, ob er Fingerabdrücke oder andere Spuren hinterlassen hatte. Vermutlich war es so.
    Ihn beunruhigte einzig und allein, dass es den Menschen durch diese Vorfälle womöglich gelingen könnte, Eli aufzuspüren.
    Den Menschen …
     
    Sie hatten Zettel in seinen Briefkasten geworfen, ihm gedroht.
    Jemand, der bei der Post arbeitete und in der gleichen Einfamilienhaussiedlung wohnte wie er, hatte den anderen Nachbarn verraten, welche Art von Post, welche Art von Filmen er zugestellt bekam.
    Es dauerte gut einen Monat, bis er seine Stelle an der Schule verlor. Jemand wie er durfte nicht mit Kindern in Kontakt kommen. Er war freiwillig gegangen, obwohl die Lehrergewerkschaft ihm vermutlich beigestanden hätte.
    Er hatte in seiner Schule doch gar nichts gemacht, so dumm war er nun wirklich nicht.
    Die Kampagne gegen ihn wurde danach immer heftiger, bis jemand schließlich eines Nachts einen Molotowcocktail durchs Wohnzimmerfenster warf. Er hatte sich nur in Unterhose in den Garten gerettet und zugesehen, wie sein ganzes Leben in Flammen aufging.
    Die Ermittlungen hatten sich in die Länge gezogen, weshalb er auch kein Geld von der Versicherung bekam. Von seinen kärglichen Ersparnissen war er fortgegangen und hatte sich in Växjö ein Zimmer gemietet. Dort hatte er anschließend begonnen, am eigenen Tod zu arbeiten.
    Er hatte sich so systematisch dem Alkohol hingegeben, dass er sich mit allem berauschte, was ihm in die Finger kam. Aknelösung, Lösungsmittel. Er stahl die nötigen Zutaten zur Weinherstellung, trank alles, noch ehe der Wein richtig gegoren war.
    Er hielt sich möglichst viel im Freien auf, wollte in gewisser Weise, dass »die Menschen« ihn tagtäglich sterben sahen.
    Im Vollrausch wurde er unvorsichtig, begrapschte kleine Jungen, wurde geschlagen, landete bei der Polizei. Drei Tage saß er in Untersuchungshaft und spuckte sich die Eingeweide aus dem Leib. Dann wurde er wieder freigelassen und trank weiter.
    Eines Abends, als Håkan mit einer Flasche halbgegorenem Wein in einer Plastiktüte in der Nähe eines Spielplatzes auf einer Bank saß, kam Eli und setzte sich neben ihn. In seinem Rausch hatte Håkan praktisch sofort die Hand auf Elis Oberschenkel gelegt. Eli hatte sie dort liegen lassen, Håkans Kopf in die Hände genommen, ihn zu sich umgedreht und gesagt: »Du

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