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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Menschig
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gottesfürchtiger Bursche. Sie wird dich nicht bekommen.«
    In dem Moment trat Greta aus dem Wald. Wie an unsichtbaren Fäden geführt, schwankte sie auf ihn und die Frau zu. Ein eiskalter Windstoß fegte über die Lichtung.
    Hans schloss die Augen und bebte trotz der warmen Umarmung der Frau. Noch wunderte er sich kurz über die Worte der Frau und warum sie seinen Namen kannte. Dann beschloss er, ihr zu glauben und einfach darauf zu hoffen, dass alles gut werden würde.
     
    Nichts wurde gut. Hans konnte sich nicht mehr daran erinnern, was danach auf der Wiese vor dem Haus vorgefallen war. Er war träge und müde geworden. Das hatte seine Furcht gedämpft, aber auch seine Sinne betäubt. Bevor er sich versah, fand er sich eingesperrt in einem dunklen Holzverschlag wieder, der nicht mehr als vier Schritte breit und lang war und nur so hoch, dass Hans gerade noch stehen konnte. Er schlief auf dem lehmigen Boden. In einer Ecke war ein Loch gekratzt, das mit einem Brett abgedeckt war. Dort durfte er wohl seine Notdurft verrichten. Vor ihm standen ein Teller mit einem Kanten Brot und angeschimmeltem Käse sowie ein Krug Wasser, das nach Froschteich schmeckte. Vielleicht waren es die Reste seiner eigenen Brotzeit, er wusste es nicht.
    Er schlief, vermutlich lange. Zwischen den Ritzen drang Tageslicht hervor, so dass er neben der ersten Mahlzeit einen weiteren Teller entdeckte. Er war vollgeladen mit saftigen kalten Fleischscheiben, Butter und süßen Weintrauben. Hungrig verschlang Hans alles mitsamt dem Brot und dem Käse, der erstaunlich gut schmeckte. Es war eine der köstlichsten und reichhaltigsten Mahlzeiten, die er je gegessen hatte. Gleichzeitig wurde ihm mulmig. Der Begriff »Henkersmahlzeit« kam ihm in den Sinn. War es nicht so, dass man Gefangenen vor ihrer Hinrichtung ein letztes Festmahl gewährte? Er musste raus hier!
    Sein Gefängnis bestand an zwei Seiten aus eng vernagelten Brettern und an den anderen beiden aus Steinmauer. Die Mauer war massiv, bis auf einen kleinen Hohlraum, den er ungefähr drei Handbreit über dem Boden ertastete. In diesem fand er sehr zu seinem Erstaunen eine weitere Köstlichkeit: ein flaches Stück weichen Kuchens mit einer etwas härteren Kruste. Das Gebäck schmeckte ein wenig süß und ein wenig bitter, nach fremden Ländern und Abenteuer. Hans aß es vollständig auf, ganz ohne schlechtes Gewissen, ob die Leckerei überhaupt für ihn bestimmt war. Erst dann konzentrierte er sich wieder auf die Suche nach einem Ausweg. Die Spalten zwischen den Brettern waren so schmal, dass er kaum einen Finger dazwischenstecken konnte. An manchen Stellen ertastete er Nägel, doch an denen konnte er nichts ausrichten.
    Vermutlich verging die Zeit, aber nicht einmal das konnte Hans mit Bestimmtheit sagen. Immer wieder kratzte er über die Bretter, brach sich die Fingernägel ab, als er versuchte, an den Ritzen zu ziehen, oder stieß mit der Schulter gegen das Holz. Alles vergeblich. Schließlich ließ er sich auf den Boden sinken und schlang die Arme um den Oberkörper. Er war viel zu alt, um zu weinen, doch jetzt konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten. Was würde Vater an seiner Stelle tun? Er sehnte sich nach der liebevollen Umarmung seiner Mutter und weinte noch heftiger. Sah er sie jemals wieder? Pater Gangolf hatte gesagt, dass Gott einen nie im Stich ließ. Aber wo war Gott denn jetzt? Hans spürte nichts von seiner Anwesenheit. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er sich so hilflos und verlassen gefühlt!
    Bei diesem Gedanken hätte er sich am liebsten selbst geschlagen. Wie dumm! Natürlich hatte Gott keine Zeit, in jedem Augenblick bei ihm zu sein. Aber Er half einem, wenn man Ihn darum bat, oder nicht?
    Hans richtete sich auf und kniete sich hin. Er zog sein Kreuz unter dem Hemd hervor, nahm es in die gefalteten Hände und begann mit den Worten des
Vaterunser.
Das Metall fühlte sich warm und vertraut an. Noch bevor er am Ende seines Gebetes angekommen war, liefen Hans Freudentränen über die Wangen. »Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!« Er würde nichts dagegen haben, wenn Hans das Kreuz als Werkzeug benutzte, solange er sich damit aus seiner Lage befreite. Er würde es beichten. Pater Gangolf würde ihm eine angemessene Sühne auferlegen, dessen war er sicher.
    Hans zog die Lederschnur über den Kopf und nahm das Kreuz in die Hand. Die Streben des Metalls waren so lang wie seine Finger. Er tastete im Dämmerlicht umher, bis er einen besonders weit hervorstehenden

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