Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Menschig
Vom Netzwerk:
in sein Häuschen. Dort fühlte er sich sicher. »Du musst mit
mir
kommen. Du kannst so lange bei mir wohnen. Ich habe ein eigenes Zimmer für dich. Ich werde dich nicht belästigen. Ich kann dich entlohnen.« Er hatte ein wenig Geld gespart, von dem er sich einen neuen Wintermantel kaufen wollte. Er brauchte dringend einen dickeren Mantel, mit dem er im Winter im Freien arbeiten konnte. Doch Johann war wichtiger.
    Agnes schüttelte entschieden den Kopf. »Ich verliere hier meine Arbeit. Wovon soll ich leben, wenn dein Kind abgestillt ist?«
    »Dann werde ich dich eben heiraten. Sagten diese beiden Gänse vorhin nicht, dass du ohnehin nie einen Mann finden wirst? Jetzt hast du einen gefunden. Wir gehen morgen früh zum Pfarrer.«
    »Was sagst du da? Du bist doch noch ein halbes Kind! Ich könnte deine Mutter sein!«
    »Ich brauche keine Mutter. Johann braucht eine Mutter.« Er schlug die Faust in die Handfläche. Auf einmal klang alles vollkommen logisch. »Ich kann für dich sorgen. Ich habe ein Haus und ein Auskommen. Solange du Johann eine gute Mutter bist, wird es dir an nichts fehlen, das verspreche ich dir.«
    Vermutlich dauerte es gar nicht so lange, bis sie sich entschieden hatte. Hans aber kam es wie eine halbe Ewigkeit vor, während Johann zufrieden vor sich hin gluckste und sich an seine Amme kuschelte. Hans konnte Agnes deutlich ansehen, wie sie die Aussicht, weiterhin als Magd auf dem Hof zu arbeiten und das Getuschel der anderen zu ertragen, gegen das Angebot, als legitimes Eheweib im eigenen Haus für ein Kind zu sorgen, abwog.
    Schließlich nickte sie. »Einverstanden.«
     
    Hans verbrachte eine unruhige Nacht auf dem Heuboden des Hofes und machte sich früh bereit, um beim Pfarrer vorzusprechen. Seine Hoffnung, dass seine Probleme dort ein Ende finden würden, wurde gewaltig enttäuscht. Er hatte nicht gewusst, dass die Gemeinde Steinberg evangelisch war. Bislang hatte er sich noch nie Gedanken darüber gemacht, ob neben der katholischen Kirche seines Heimatdorfes noch andere existierten. Agnes stammte aus Lörrach, war ebenfalls evangelisch, und so weigerte sich der Pfarrer, sie zu vermählen. Dass Hans minderjährig war und nicht einmal Angaben über seine Eltern und Herkunft machen konnte, verschlechterte seinen Status zusätzlich.
    Immerhin hatte Agnes seinen kleinen Johann liebgewonnen. Er tröstete sie über den nur wenige Tage zurückliegenden Tod ihres kleinen Mädchens hinweg. Da sie zusätzlich die Aussicht auf einen eigenen Haushalt reizte und sie an Ehre nicht mehr viel zu verlieren hatte, packte sie ihr Bündel und begleitete Hans am späten Vormittag zurück in den Wald.
    Er gab ihr und Johann das Zimmer, das am weitesten weg von Gretas ehemaligem Schlafgemach lag, richtete ihr bis zum Abend ein Lager ein und versprach ihr, gleich am nächsten Morgen ein Bett zu bauen. Agnes widersprach lächelnd, er solle erst ein Kinderbettchen zimmern. Sie könnte noch einige Tage länger auf einem Strohlager schlafen.
    Auch Hans bezog nun erstmals eine Kammer im Haus, und falls Agnes sich darüber wunderte, dass diese ebenso kahl war wie die ihrige, zeigte sie es nicht. Auch zu dem merkwürdigen Geruch, der hinter Gretas verschlossener Tür hervordrang, äußerte sie sich nicht.
    Am Nachmittag des nächsten Tages tauchten unerwartet der Pfarrer, der Gemeindeverwalter und zwei weitere Männer auf. Hans schickte Agnes ins Haus und bat sie, auf Johann achtzugeben. Er ahnte, was ihm bevorstand, aber inzwischen hatte er Zeit gehabt, über eine glaubwürdige Geschichte nachzudenken.
    Der Gemeindeverwalter trat mit wichtigtuerischer Miene auf ihn zu. »Bist du Hans vom Wald?«
    »Mein Taufname ist Johannes, aber man nennt mich Hans, das ist richtig, Gevatter.«
    »Ich hörte, du weißt nicht, wo du herkommst.«
    »Das ist ebenso richtig.«
    »Von wem hast du das Haus?«
    »Hier lebte eine alte Frau. Sie hat es mir nach ihrem Tod vermacht.«
    »Hast du darüber ein Dokument?«
    »Nein, Gevatter. Ich kann weder lesen noch schreiben.«
    Der Verwalter schaute hilfesuchend zum Pfarrer, der ratlos die Schultern hob. »Meine Großmutter erzählte in meinen Kindertagen von der alten Trude, die hier gehaust haben soll«, erklärte er. »Aber die muss schon vor vielen Jahren verstorben sein. Unmöglich, dass der Bursche sie gekannt haben will. Seitdem verfällt das Haus.«
    Kritisch musterten sie die Außenwände, das Dach und Hans’ gepflegten Gemüsegarten. »Es sieht nicht sehr verfallen aus. Im Gegenteil«,

Weitere Kostenlose Bücher