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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Menschig
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alles. Ich spreche heute Abend noch mit Björn und Sarah. Ganz sicher hat es weder mit uns noch mit dem Haus zu tun.« Sie stockte kurz. »Es sei denn, du hast mir nicht alles gesagt.«
    »Natürlich habe ich dir alles gesagt. Lies dir bitte gründlich alle Unterlagen durch, die du findest. Oben auf dem Dachboden über der Scheune müsste ein alter Koffer liegen. Ich meine, dass Mago mal von dem gesprochen hat. Vielleicht sind da Dokumente drin, die uns weiterhelfen.«
    »Gut. Mach dir bitte keine Sorgen. Wir schaffen das schon, auch ohne Omi. Wir haben bisher alles geschafft, du und ich. Wenn du angekommen bist, kannst du noch auf ein Glas Wein hinaufkommen oder sogar mit im Haus übernachten.«
    »Wenn es nicht zu spät wird, komme ich vielleicht hinauf. Ansonsten sehen wir uns morgen früh.«
    »Bis dann, Papa.« Merle lehnte sich zurück und sammelte sich, um endlich weiterfahren zu können. Sie hatte es geschafft, ihren Vater zu beschwichtigen. Wann hatte sich diese Rollenverteilung eigentlich gedreht, und seit wann war sie es, die alles rational zu erklären versuchte?
    Nachdenklich betrachtete sie das Handy, dann steckte sie es zurück in ihre Handtasche. Als es geklingelt hatte, hatte sie einen kurzen Moment lang gehofft, es wäre Jakob, der da anriefe. Sie konnte nicht einschätzen, wie er ihren brüsken Rauswurf am Sonntagvormittag aufgenommen hatte. Er hatte gekränkt gewirkt, gleichzeitig aber ihre Entscheidung ohne Widerspruch akzeptiert. Einerseits war sie ihm dankbar dafür gewesen, da sie keine Kraft für eine Auseinandersetzung gehabt hatte. Aber das ein oder andere »Warum?«, ein Beharren auf einer Erklärung hatte sie schon erwartet. Sie wusste doch selbst nicht, was sie wollte. Inzwischen war sie sicher, dass sie sich die Sache mit den Tabletten eingebildet hatte. Er hatte den Beipackzettel gelesen, na und? So etwas hätte sie auch getan, wenn sie irgendwo gesessen und nichts zu tun gehabt hätte. Die Packung war ihm einfach in die Hände gefallen. Es hätte genauso gut eine Müslitüte oder ein Werbeprospekt sein können, aber so etwas hatte eben nicht da gelegen. Das Wasserglas hatte er herangezogen, weil er trinken wollte und dann festgestellt, dass er selbst kurz zuvor ein eigenes Glas abgelehnt hatte. Eine ganz automatische Reaktion. Merle hatte im Büro auch schon Gläser oder Tassen verwechselt. So etwas kam vor.
    Nur, warum hatte er den Blister in der Hand gehabt? Warum hatte er sich anschließend nichts zu trinken genommen?
    Die Autobahn nahm sie wieder auf, und Merle steckte sich ein Pfefferminzbonbon in den Mund. Etwas belebter von dem frischen Geschmack, zwang sie ihre restlichen Sinne auf den Verkehr.
    Sie hatte sich eine Auszeit von ihm erbeten: keine SMS , keine Anrufe, höchstens Mails. Jakob hatte das akzeptiert. Bis zum Wochenende musste sie sich überlegen, ob sie ihn in Freiburg besuchte, und dann würden sie gemeinsam weitersehen. Wenn ihr Märchenprinz sich bis dahin entschieden hatte, lieber weiter allein in den Sonnenuntergang zu reiten, musste sie das wohl oder übel akzeptieren. Ihr Vater sagte in solchen Momenten gern: »Wer weiß, wofür es gut ist.«
    Wie recht er doch hatte.
    Der Rest der Fahrt verlief ereignislos. Am frühen Abend bog Merle auf den Marktplatz von Steinberg ein, entschied sich dann jedoch, direkt in Richtung Waldweg zu fahren. Ganz wie sie vermutet hatte, stand die Schranke auf. Sicher war die Polizei immer noch mit der Suche nach den Kindern beschäftigt.
    Während der gesamten Fahrt hatte Merle die Nachrichten verfolgt, jedoch nichts Neues erfahren. Björn hatte sie auf der Mailbox eine Nachricht hinterlassen, doch ihr alter Freund meldete sich nicht. Merle bog in den Waldweg ein und lenkte ihren Wagen behutsam den unbefestigten Pfad entlang. Nach einem kräftigen Regenschauer war die untergehende Sonne noch einmal zwischen den Bäumen hervorgekommen und tauchte den Wald ringsum in strahlendes Tiefgrün. Das Auto arbeitete sich tapfer voran, obwohl es mehrmals stecken zu bleiben drohte.
    Merle parkte auf einer kleinen freien Fläche kurz hinter der Holzbox, an der mehrere Rollen Seil, eine Kletterausrüstung und ein Erste-Hilfe-Kasten lehnten. Außerdem stand bereits ein schlammbespritzter Range Rover dort, an dessen Rückfenster ein Aufkleber mit einem Hirsch und der Aufschrift »Förster« haftete.
    Ohne sich groß weiter umzusehen, warf Merle ihre Reisetasche über die Schulter, griff die Papiertüte mit ihren Lebensmitteln und wandte sich dem

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