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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Menschig
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Ronja!« Björn kam aus der Scheunentür gelaufen und hatte im gleichen Moment das Kind auf seinen Armen. Jakob blieb stehen und hob mit einer verlegenen Geste die Hände. »Ich habe keine Ahnung, was passiert ist. Sie kam auf mich zu und ist im nächsten Moment abgeflitzt.«
    »Rapunzel, was ist denn?« Björn sprach beruhigend auf das Mädchen ein, während er ihr sanft über den Rücken streichelte. In der Zwischenzeit nahm Jakob das Körbchen, das es fallen gelassen hatte, auf und begutachtete den Inhalt. Zwei Teller, einer davon zerbrochen, Servietten und ein Marmorkuchen, dazu zwei Flaschen mit Apfel- und Traubensaft, die zum Glück heil geblieben waren.
    Björn trat näher. »Sie faselt was von großen Augen«, murmelte Björn leise zu Jakob. »Haben Sie wirklich nichts gesehen?«
    »Nein, gar nichts. Nur eine der Katzen, die in Panik weggerannt ist. Das kann aber auch gewesen sein, nachdem der Korb hingefallen ist. Ich bin mir nicht sicher.«
    »Ist schon gut. Ronja. Schau mal, das ist der Herr Wolff, ein Freund von Merle. Der tut dir ganz bestimmt nichts.«
    Ronja nickte ihm schüchtern zu und rieb sich mit den Fäusten die Augen.
    Jakob lächelte das Mädchen herzlich an. »Obwohl ich Wolff heiße, bin ich nicht gekommen, um dich zu fressen. Du musst keine Angst haben.«
    »Na, siehst du.« Björn lachte. »Ich denke, es wird langsam spät. Was halten Sie davon: Wir nehmen den Kuchen mit zurück, und Sie essen heute bei uns auf meinem Hof.« Er strich seiner Tochter über den Kopf, bevor er sie absetzte. Sie drückte sich weiterhin schweigend an sein Bein und ließ Jakob nicht aus den Augen. Dem wurde unter dem forschenden Blick der Kleinen langsam unbehaglich. »Sehr gern. Es sieht nicht so aus, als käme ich ohne weiteres in Merles Knusperhäuschen hinein.«
    »Nein, das Haus lässt wirklich nicht jeden rein. Gehen wir. Komm, Ronja.«

Neun
    Hauswächterin
    M üdigkeit – Merles inzwischen bekannter und ungeliebter Dauerzustand. Aber es zeichnete sich endlich ein Hoffnungsschimmer am Horizont ab. Nachdem sie Jakob am Sonntag verabschiedet hatte, hatte sie ein paar Stunden auf dem Sofa schlafen können. Die Nächte auf Montag und Dienstag waren nahezu alptraumfrei gewesen. Was an den Schlaftabletten liegen könnte, zu denen sie sich endlich überwunden hatte. Am frühen Dienstagvormittag sah sie sich in der Lage, die lange Autofahrt nach Steinberg auf sich zu nehmen. Jetzt war sie seit gut sieben Stunden unterwegs – ungezählte Kaffee-Stopps inklusive – und zuversichtlich, ihr Ziel in der geplanten Zeit zu erreichen.
    Um kurz vor halb fünf Uhr stelle Merle das Radio an, um den Verkehrsfunk zu hören. Noch liefen Regionalnachrichten. Als sie glaubte, den Namen Steinbergs gehört zu haben, drehte sie lauter.
    »… bittet die Polizei um Ihre Mithilfe. Seit dem frühen Vorabend werden drei Kinder vermisst. Es handelt sich um die fünfjährige Ronja Dreher sowie um die Geschwister Lukas und Amelie Rötgen, fünf und acht Jahre alt. Die Kinder wurden zuletzt in der Nähe des Steinbruchs gesehen …« Es folgte eine Beschreibung der Kleidung und des Aussehens der Kinder. Merle hielt das Lenkrad so fest umklammert, dass ihre Fingerknöchel weiß wurden. Ronja! Jetzt bloß nicht nachdenken … Sie heftete ihren Blick auf die Straße, konzentrierte sich ausschließlich auf den Tacho und den Asphalt. Die Leitplanke zog an ihr vorüber. Besonders der letzte Satz hallte ihr immer noch in den Ohren: »Ein Verbrechen kann nicht ausgeschlossen werden.«
    Nach wenigen Kilometern kündigte ein Schild den nächsten Parkplatz an. Merle sandte einen stummen Dank an ihre Glücksfee, fuhr ab und stieg aus. Mehrmals lief sie um das Auto herum. Sie wagte sich in dieser einsamen Dämmerung nicht weit weg, aber sie musste sich irgendwie bewegen.
    Drei Kinder waren entführt worden. Wie passend an so einem düsteren Tag mit grau bewölktem Himmel. Wenigstens regnete es nicht. Merle holte Luft und schlug mit der Faust aufs Autodach. Regen, hatte sie sonst keine Sorgen?
    Sie fühlte sich schuldig. Nur allzu deutlich hallten die Worte ihres Vaters in ihren Ohren wider, es müsse jemand auf das Haus aufpassen. Was konnte passiert sein? Die Kinder waren im Verbotenen Garten gewesen, das hatte Ronja ihr sogar selbst erzählt. Aber das konnte doch nicht wirklich etwas mit ihrem Verschwinden zu tun haben!
    Merle hielt sich an der Dachreling fest und legte ihre Stirn an das kühlende Metall des Wagens. Es fühlte sich zwar ganz

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