So frei wie der Himmel
lachte laut.
Mit gerunzelter Stirn kam Cheyenne durch die Tür.
Jesse fuhr die Rampe hinauf und wieder hinunter. Gut, dachte er, sie hält. Zumindest zunächst einmal. Aber letztlich war es, als klebte man ein Pflaster auf eine Schussverletzung - es handelte sich nur um eine Notlösung.
Cheyenne, die noch immer düster schaute, drehte sich wortlos um und ging zurück ins Haus.
"Was hat sie denn?"
"Sie ist einfach viel zu ernst", sagte Mitch.
Früher war Cheyenne ein schüchternes, aber lustiges Mädchen. Jesse versuchte, von Mitch zu erfahren, was genau passiert war. "Ich schätze, sie hat eine harte Zeit hinter sich", begann er.
Da nickte Mitch traurig. "Sie war mal ganz anders. Vor dem Unfall."
Jesse steuerte den Rollstuhl zur Veranda und stand auf. "Der Unfall muss furchtbar gewesen sein. Tut mir leid, dass dir das passiert ist."
"Das Leben geht weiter. Es gäbe eine Menge Dinge, die ich tun könnte, wenn Mom und Cheyenne nicht ständig Angst hätten, dass ich mich noch einmal verletze."
Geduldig hockte Jesse sich auf die Veranda und wartete ab, während Mitch wieder in seinem Rollstuhl Platz nahm.
"Was denn zum Beispiel?", fragte er dann leichthin.
"Ich kann gut mit Computern umgehen. Ich könnte Computertechniker werden oder sogar Programme schreiben. Aber sie ..." Mitch zeigte aufs Haus. "Sie haben Angst, dass mich niemand einstellt. Du weißt schon, wegen des Stuhls."
"Du brauchst doch keine Beine, um Programme zu schreiben."
Augenblicklich hellte Mitchs Gesicht sich auf. .Wirst du morgen wirklich ein Pferd für mich satteln?"
Jesse nickte. "Darauf kannst du wetten."
"Für Mom ist das wahrscheinlich in Ordnung, aber Cheyenne wird einen Anfall bekommen."
Einen Moment glaubte Jesse, durch die Eingangstür hindurchsehen zu können, hinter der Cheyenne darauf wartete, dass er endlich verschwand.
"Sie wird darüber hinwegkommen."
"Da kennst du meine Schwester aber schlecht."
Das stimmte, er kannte Cheyenne nicht gut. Aber er wollte sie besser kennenlernen. Wollte ihre geheimsten Gedanken erforschen, die verletzten Stellen ihrer Seele berühren, sie in einem kühlen schattigen Raum aufs Bett legen und bis zur Erschöpfung lieben.
"Was macht ihr denn Spaß?", fragte er.
"Cheyenne hat keinen Spaß. Das Einzige, was sie tut, ist arbeiten und sich Sorgen machen."
"Vielleicht ist es Zeit, dass jemand daran was ändert", überlegte Jesse laut.
"Viel Glück", spöttelte Mitch. Doch gleichzeitig lag so viel verzweifelte Hoffnung in seinem Gesicht, dass Jesse schwer schlucken musste.
Betont fröhlich stand er auf. "Dann pack ich wohl mal besser mein Werkzeug ein und verschwinde. Willst du die Rampe vorher selbst noch mal ausprobieren?"
Das tat Mitch, und Jesse, der ihm dabei zusah, beschloss, dass die Rampe noch zwei Geländer brauchte.
"Danke, Jesse", rief Mitch ihm von der Veranda aus zu.
"Kein Problem." Er überlegte, ob er ins Haus gehen und sich von Cheyenne verabschieden sollte, entschied sich aber dagegen. Sie sollte nicht den Eindruck bekommen, dass er etwas von ihr wollte. Natürlich entsprach das der Wahrheit, aber er fand es besser, wenn sie das nicht wusste. Mitch probierte noch immer die Rampe aus, als Jesse den Motor startete. Kurz bevor er um die Ecke bog, sah er im Rückspiegel Cheyenne, die ihm hinterherwinkte.
Eigentlich hatte er den Rest des Tages im Hinterzimmer vom Lucky’s Poker spielen wollen. Doch jetzt brauchte er eine Dusche und etwas Frisches zum Anziehen. Statt sich auf den weiten Weg zur Farm zu machen, hielt er bei McKettrickCo. Rance und Keegan hatten sich dort ein teures Fitnessstudio eingerichtet, in dem auch ein gut gefüllter Kleiderschrank stand. Und zufälligerweise hatte er sowieso ein Wörtchen mit seinem Cousin zu reden.
"Schicke Klamotten", bemerkte Keegan, als Jesse frisch geduscht aus dem Fitnessraum von McKettrickCo trat. Er trug eine schwarze Hose mit messerscharfer Bügelfalte und dazu ein langärmliges Poloshirt, das der Hersteller vermutlich als Meerschaumgrün bezeichnen würde.
"Besonders die Stiefel sehen interessant dazu aus", fuhr Keegan fort.
Jesse betrachtete sein Lieblingsschuhwerk. .Ich hab nix dagegen, mich mal ein bisschen aufzumotzen. Aber bei Schnürschuhen hört der Spaß auf."
Das entlockte Keegan ein Lachen. "Freut mich, dass du dich dazu herabgelassen hast, meine Klamotten zu klauen. Und ich würde eine Menge dafür bezahlen, dich einmal in Schnürschuhen zu sehen." Er wirkte verdammt müde. Jesse fragte sich, ob sein
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