So frei wie der Himmel
Tisch dufteten. "Rieche ich da zufällig Hühnchen süß-sauer?", fragte sie, verzweifelt darum bemüht, wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen. Und Jesse von seinen Verführungskünsten abzubringen.
"Ja." Er richtete sich auf, öffnete die Tüten, nahm einen Pappkarton heraus und fütterte sie mit einem Stück Huhn nach dem anderen. Als Cheyenne am Ende den Glückskeks öffnete, konnte sie ihr Begehren kaum noch zügeln.
Am liebsten wäre Jesse im Fitnessraum noch schnell unter die kalte Dusche gesprungen, bevor er ging. Aber er wusste, dass das jede Menge Fragen von Keegan und Rance nach sich gezogen hätte. Er war so unglaublich erregt. Aber eine Linderung war nicht in Sicht. Heute Abend übte Cheyenne mit Sierra und deren Freundinnen eine weitere Runde Poker.
Wie geplant fuhr er zu Cheyenne nach Hause und marschierte mit seinem Werkzeugkasten zu dem Stapel Bretter, den er vor ein paar Tagen abgeladen hatte. Wie genau baute man eigentlich ein Geländer für eine Rollstuhlrampe? Er wünschte, er hätte vorhin seinen Dad gefragt. Schreinern gehörte zu Martins Hobbys - er hatte alle Bücherregale im Haus selbst gebaut.
Er hatte noch nicht einmal einen Hammer in die Hand genommen und war schon vollkommen durchgeschwitzt. Vielleicht gab es Ja irgendwo in der Nähe ein Gartenhäuschen samt Wasseranschluss. Dann könnte er den Hahn voll aufdrehen und sich mit dem Schlauch abspritzen.
Cheyenne und Ayanna waren natürlich bei der Arbeit. Aber vielleicht steckte Mitch in der Nähe. Er könnte ihm Hallo sagen und ihn fragen, ob er helfen wollte. Jesse klopfte an die Tür. Keine Antwort. Schlief Mitch vielleicht noch, oder spielte er an seinem Computer und wollte einfach seine Ruhe haben? Er klopfte noch einmal, diesmal lauter. Plötzlich sah er wieder den umgestürzten Minitraktor vor sich. Wenn Mitch nun wieder etwas geschehen war?
Jesse drehte am Türknauf. Die Tür war offen - wie bei vielen Häusern in Indian Rock und anderen Kleinstädten in dieser Gegend.
"Mitch?"
Keine Antwort. Aber wo sollte Mitch denn mit seinem Rollstuhl sonst sein, wenn nicht hier im Garten oder im Haus? Jesse lief ins Wohnzimmer. Linoleumboden. Alte Möbel, kein Staub. Ein alter Fernseher mit Drehknöpfen. Er ging zurück in den Flur. "Mitch?"
Verschwinde, dachte er, das ist Hausfriedensbruch. Dann hörte er das Stöhnen, so leise, dass er es fast nicht bemerkt hätte. Er hob die Stimme. "Mitch!"
Die Antwort spürte er mehr, als dass er sie hörte. Eine Verschiebung in der Atmosphäre wie bei einem Pokerspiel, das anfing, aus dem Ruder zu laufen. Jesse öffnete die Tür des ersten Schlafzimmers. Nichts. Der Flur war dunkel, weil es hier keine Fenster gab. Schnell knipste er das Licht an. Mitch lag lang ausgestreckt auf dem Boden, der Rollstuhl außer Reichweite.
"Ich habe zu schreien versucht, als Bronwyn an der Tür war", keuchte Mitch. "Aber sie hat mich wohl nicht gehört ..."
"Schon gut, Kumpel." Jesse kauerte sich neben ihn. "Was ist passiert? Hast du Schmerzen?"
"Ich dachte auf einmal, dass ja vielleicht alles nur ein Missverständnis ist. Dass ich behindert bin, meine ich. Ich dachte, wenn ich es nur genug versuche, dann ..."
Jesse konnte die Verzweiflung in Mitchs Gesicht kaum ertragen, doch wegzusehen hätte alles nur noch schlimmer gemacht. "Das war ziemlich dumm von dir."
"Bitte, hilf mir auf."
"Ich weiß nicht, ob ich dich bewegen sollte."
"Mir geht es gut, Jesse", sagte Mitch. "Bitte ... ruf niemanden an. Mom und Cheyenne flippen aus, wenn wir jetzt schon wieder ins Krankenhaus fahren."
In Jesse kämpften zwei widerstreitende Gefühle. Sein Instinkt sagte ihm, dass Mitch die Wahrheit sagte - aber wenn er sich nun täuschte? Vielleicht hatte Mitch sich bei dem Sturz innere Verletzungen zugezogen?
"Hilf mir einfach wieder in meinen Stuhl, bitte."
"Wir gehen da ein ziemliches Risiko ein, Buddy."
"Bitte, Jesse! '
"Gut." Jesse stand auf und zog den Rollstuhl heran. Dann hob er Mitch auf seine Arme und setzte ihn hinein. Einen Moment lang saß Mitch einfach nur so da. Er trug Bundfaltenhosen und ein Poloshirt.
"Du warst mit Bronwyn verabredet?", fragte Jesse.
"Wir wollten nach Sedona", murmelte Mitch traurig. "Ich hätte gleich wissen müssen, dass das nicht funktioniert."
Tröstend legte Jesse eine Hand auf die Schulter des Jungen. "Du hättest nicht versuchen dürfen aufzustehen, Mitch. Aber das war's auch schon. Bronwyn ist ein hübsches Mädchen. Ist doch klar, dass du mit ihr nach Sedona
Weitere Kostenlose Bücher