So fühlt sich Leben an (German Edition)
die Sprache auf meine beiden großen Leidenschaften dieser Jahre bringen. Mit welcher soll ich beginnen?
Vielleicht mit Eileen.
Die Vorgeschichte ist schnell erzählt.
Eine Variante von Urlaub zu DDR -Zeiten waren die Kinderferienlager, vom Zoll organisiert und vollkommen okay, weil die Eltern weit weg waren und man sich selbst durchsetzen musste. Natürlich ging’s da stramm sozialistisch zu, nicht nur wegen der Baracken, in denen wir Kinder untergebracht waren, auch wegen der Tagesaktivitäten, irgendwelchen kampfbetonten Spielen, Vorführungen der örtlichen Feuerwehr und paramilitärischen Nachtwanderungen. Das Beste daran aber waren die Mädels. Mit dreizehn, vierzehn ging’s ja allmählich los mit dem Mädels-Auschecken. Eines Tages lag genug Erotik in der Luft, um mich zu einer kleinen Bühnennummer zu animieren– beim ersten Soloauftritt meines Lebens habe ich, weiß ich noch, » Jeanny«von Falco gesungen, mit ’nem Federballschläger als Gitarre, und wenig später gipfelte meine heiße Frühphase in einer Liebesnacht mit einer gleichaltrigen Dresdnerin.
Ich war also nicht ganz unvorbereitet, als ich mich zwei Jahre später auf dem Schulhof in Eileen verliebte.
Rehbraune Augen, Schmollmund, super Figur und ein oder zwei Jahre jünger als ich– das war Eileen. Ihr Mund hat mich fast um den Verstand gebracht, der verlieh ihr was Monroemäßiges. Subjektiv wie objektiv betrachtet war sie die Hübscheste der ganzen Schule. Alle wollten sie haben, und keiner hat sich rangetraut. Wenn sie mir auf meinem Beobachtungsposten in der Raucherecke ins Blickfeld geriet, habe ich nur gedacht: Gottogott, ist die schön… Also was richtig Edles. Mit anderen Worten: Ich war unendlich scharf auf sie, hatte aber so meine Bedenken wie jeder andere auch, denn Eileen war abweisend, geheimnisvoll, undurchsichtig– eine Einzelgängerin, die keinen an sich ranließ. Sie reagierte auf nüscht, und wenn ich sie mal allein erwischte und die Richtung meiner Wünsche auch nur zart anzudeuten wagte, hieß es sofort: » Nee, keine Lust, tschüß.« Nicht mal auf dem Schulweg schloss sie sich irgendwem an, weshalb die Jungs sich resigniert darauf einigten, sie für eine arrogante Schnepfe zu halten. Nimm dir halt ’ne andere, habe ich mir gedacht und mich in Maja verliebt.
Maja. Kurvig, langes blondes Haar, mithin ebenfalls eine coole Option. Maja sprang sofort an. Eines Tages sagte sie zu mir: » Komm zu mir hoch, hol mich ab.«
Ich mache mich auf den Weg, nähere mich ihrem Hochhaus, wundere mich schon und denke, Eileen wohnt doch im selben Haus?, und als ich bei Maja klingele, sehe ich: Die beiden Klingelknöpfe liegen nebeneinander. Also liegen auch ihre Wohnungen nebeneinander. Also liege ich, wenn ich mit Maja, was absehbar ist… Hat mich dann, zugegebenermaßen, gleichzeitig stimuliert und bedrückt, Eileen auf der anderen Seite der Wand zu wissen. In Majas Armen zu liegen und der unnahbaren Eileen so nah zu sein. Hätte nach einem abgekarteten Spiel aussehen können, war aber ein blöder Zufall. Na schön, so blöd auch wieder nicht. Jedenfalls war ich von nun an häufiger bei Maja, und eines Tages klingelt es an ihrer Wohnungstür. Ich stehe im Flur, als Maja öffnet, und wen erblicke ich im Türrahmen?
Eileen.
Maja: » Das ist mein Freund Hagen. Ich bin jetzt mit ihm zusammen.«
Ich: » Hallo, Eileen.«
Wir waren also auf Tuchfühlung gegangen, und somit ergab sich nun immer häufiger die Möglichkeit, Eileen von mir zu überzeugen. Und das Unwahrscheinliche trat ein: Eileen wurde zugänglicher. Sagte plötzlich » Hallo«, wenn wir uns begegneten, und schenkte mir sogar ab und zu ein Lächeln. Trotzdem war ich noch eine ganze Weile mit Maja zusammen. Habe redlich geschwankt, mit mir gekämpft, habe zum Beispiel bedenkenswert gefunden, dass Majas Eltern mich mochten, aber nach Abwägung sämtlicher Faktoren sprach doch alles für Eileen. Nicht zuletzt der Knutschmund.
Dabei passten wir überhaupt nicht zusammen. Ich war nie der Gestriegelte, ich war der Sprüher, noch bevor ich je ans Sprühen gedacht habe, mit langen Haaren, die mal gewaschen und mal fettig waren, und Eileen war das genaue Gegenteil, immer schick, alles an ihr aufeinander abgestimmt– ’ne Feine eben, und ich der Outlaw aus dem Großstadtdschungel, der mit seinem Charme um die Ecke kommt. Außerdem war mir natürlich klar: Wenn ich jetzt mit Maja Schluss mache, werde ich ihr definitiv des Öfteren über den Weg laufen. Schönes Eigentor
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