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So fühlt sich Leben an (German Edition)

So fühlt sich Leben an (German Edition)

Titel: So fühlt sich Leben an (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagen Stoll
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geschossen. Aber ich wollte das Ding durchziehen, und jetzt kommt auch schon die Geschichte meines ersten Rendezvous mit Eileen.
    Es geschah im Fahrstuhl. Ich kam aus Majas Tür, Eileen gleichzeitig aus ihrer– vielleicht Zufall, vielleicht Eingebung–, und auf der Fahrt nach unten habe ich den Vorschlag gemacht, mal zusammen ein Eis zu essen.
    » Ich würde das Eis besorgen, und dann könnten wir es ja bei dir…«
    Und sie: » Ja, warum eigentlich nicht?«
    Und ich überglücklich. Das Eis wäre bestimmt ein schöner Einstieg. Zwei Tage später, am frühen Abend, bin ich in die Kaufhalle gerannt, nur drei Minuten von ihrem Hochhaus entfernt, habe ein großes Viennetta-Eis gekauft und ihren Klingelknopf gedrückt. Dies sollte der Abend der Abende werden. » Habe dir ein Eis mitgebracht, damit dasselbe zwischen uns taue«, hatte ich mir als Eröffnung zurechtgelegt. Mein Herz galoppierte.
    Geklingelt habe ich also, aber ins Haus bin ich nicht mehr gekommen, weil im selben Moment drei Typen neben mir standen. Drei Glatzen, voll wie die Haubitzen, einer von ihnen Bunsemann, die rechte Hand von Andersen. Was dann passierte, kriege ich nicht mehr sauber auf die Reihe, ich weiß nur, dass ich nach den ersten Schlägen losgerannt bin, dabei bemüht war, nicht die Kontrolle über das Viennetta-Eis und meinen Walkman zu verlieren, hingeknallt bin, weil ich die Stahlkappe eines Doc Martens gegen das Knie bekommen hatte, auf dem Bürgersteig gelegen habe, während sie mir den Walkman wegrissen und » Affenmusik« grölten, und da am Boden nur gedacht habe: Scheiße. Jetzt bitte, bitte nicht… und da fiel das Wort auch schon. Bunsemann sprach es aus. » Bordsteinbeißen.« Einer packte mich an den Haaren und zog mich auf die Straße, ein anderer knallte mir seinen Doc Martens in den Rücken, der dritte drückte mir das Gesicht gegen die Bordsteinkante, und ich heulte Rotz und Wasser und flehte um Gnade.
    Man muss sich vorstellen: ein Riesentamtam. Sie brüllten, ich schrie, und von den Hochhausmauern hallte der Lärm wider. » Beiß rein! Beiß rein! Beiß rein!«, grölten sie, und dann setzte es Tritte, einer schlug mir den Kopf gegen den Bordstein, einer setzte mir den Fuß in den Nacken, ich winselte ein letztes Mal um Gnade– und in diesem Moment, als es fast zu spät war, öffnete Eileen oben das Fenster und schrie. Dann gingen andere Fenster auf. Ein paar riefen was von Bullen. Und jetzt trauten sie sich nicht mehr. Der Tritt blieb aus. Sie deuteten ihn nur an und machten sich aus dem Staub. » Das nächste Mal…!«, schrie Bunsemann mir noch zu, und dann war Ruhe.
    Ich stand unter Schock. Ich heulte vor Angst. Jeder Körperteil schmerzte. Eine Menschentraube bildete sich um mich herum. Und plötzlich war Eileen da. Sie sagte: » Komm. Gehen wir hoch zu mir.«
    Ich rappelte mich auf. Der Walkman war im Eimer, aber wie durch ein Wunder hatte das Viennetta überlebt. Ich glaube, Eileen schrieb dieses Wunder meinem heldenhaften Einsatz zu, befand sich vielleicht sogar in dem entzückenden Irrtum, es wäre bei der Prügelei um dieses Eis gegangen, sodass neben Tapferkeit auch noch Edelmut in Betracht kam, doch egal– wir haben uns diese Trophäe dann schmecken lassen, oben, auf ihrem Zimmer, soweit man sich überhaupt etwas schmecken lassen kann, wenn man gerade mit knapper Not einem zerschmetterten Kiefer entgangen ist, und der hätte mir geblüht, denn beim Bordsteinbeißen zwingen sie dich eben, in die Bordsteinkante zu beißen, bevor sie dir gegen den Hinterkopf treten.
    Später dachte ich: Dieser Auftakt war womöglich nicht der schlechteste. Von diesem Tag an waren wir jedenfalls zusammen, für die nächsten sechs Jahre.
    Eileen war meine erste richtig große Liebe. Bei ihr fand ich alles, was ich suchte. Und sie hat zu mir gehalten, obwohl mich ihre Eltern wohl absolut nicht leiden konnten. Ich war exakt das Gegenteil von dem, was sie sich für ihr zauberhaftes, zuckersüßes Töchterlein gewünscht hätten (kein Wunder), aber Eileen hat sich durchgesetzt, obwohl sie noch für lange Zeit zu Hause wohnte. Hat gesagt: Das ist meiner, das ist ein Guter, und sich durch nichts beirren lassen, selbst als ich Hausverbot bekam, weil ich eine Auseinandersetzung mit ihrem Vater hatte.
    Um noch mal auf Maja zurückzukommen: Natürlich war sie stinksauer und nannte mich einen Idioten– was okay war. Aber mit der Zeit begegneten wir uns immer seltener, weil Eileen für Cliquen ganz allgemein nichts übrig hatte und weil

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