So fühlt sich Leben an (German Edition)
anderen springt; ich möchte in einer stabilen Liebesbeziehung leben, doch damals habe ich rumgehurt wie ein Weltmeister, habe gekiekt, was es so gibt, habe verrückte Sachen gemacht, bin in den KitKatClub gegangen. Nachdem ich alles ausprobiert hatte, wünschte ich mir allerdings erst recht Ruhe und Ausgeglichenheit, also was Festes, was Ehrliches– und eine Familie. Unter den Mädels, die du in Marzahn aus der Disse abgeschleppt hast, war aber keine eine Frau fürs Leben, davon konnte man ausgehen. Umso verrückter, dass der Startschuss für meine zwölf gemeinsamen Jahre mit Katrin in einer Disco fiel. Allerdings unter verworrenen Umständen.
Die Marzahner DiscoFlirt, das war unser Jagdrevier, und mit » unser« meine ich das von Marek, Christoph und mir. Marek und Christoph waren die Letzten, die von meiner Schulclique übrig geblieben waren, und Mareks Freundin Steffi hatte ihrerseits eine Freundin namens Katrin. Diese Freundin seiner Freundin hatte es mir ganz schön angetan, ich fand sie süß und cool, aber sie war mit Christoph zusammen, da war Zurückhaltung geboten. Als es mit den beiden aus war, habe ich meine Chance gewittert, und als wir eines Abends zusammen im Flirt waren– ohne Christoph–, habe ich mir gesagt: Heute greifst du an. Nur dass ich damit gewartet habe, bis ich besoffen war.
Wahrscheinlich musste ich mir den Mut in diesem Fall antrinken, jedenfalls war ich mehr oder weniger im Vollrausch, als ich zur Sache kam und Katrin steckte, wie schön und scharf ich sie fand, wobei man sich meine Formulierungen im Original gewählter und poetischer vorstellen muss. Der letzte Akt, in dem ich sie die Frau meiner Träume nannte und als die künftige Mutter meiner künftigen Kinder feierte, spielte sich in äußerst dramatischer Zuspitzung meines Liebeswerbens sogar auf der Damentoilette ab, womöglich vor Publikum. Wahrscheinlich. Nun gut, ich war besoffen, aber ich meinte es trotzdem ernst, ich wollte sie nicht nur ins Bett kriegen, und die weitere Entwicklung sollte mir recht geben, denn in dieser Nacht bahnte sich was an, auch wenn mich Katrin anfangs zappeln ließ. Sie hat zu meinen Schwüren und Visionen keineswegs gleich Ja und Amen gesagt, was mir die Sache nur noch schmackhafter machte. Im Endeffekt war es tatsächlich Liebe.
Ich erinnere mich noch, als wäre es erst gestern gewesen, an die erste Begegnung mit meiner späteren Schwiegermutter. Eine drollige Situation. Ich hatte nämlich kurz zuvor auf der Love Parade ein paar Eberswalder Nazis weggeknockt und mir dabei den Mittelhandknochen gebrochen, meine rechte Hand steckte in diesen Tagen daher in Gips– und Katrin war vor Christoph mit einem bekannten Marzahner Rabauken befreundet gewesen, den ich im Flirt mal zur Seite genommen und umgehauen hatte, weil mir zu Ohren gekommen war, dass er sie schlägt. Nun fuhr ich in einem fetten Mercedes vor Katrins Elternhaus vor– hätte auch eine Zuhälterkarre sein können–, stieg aus, sah Katrins Mutter am Fenster winken und winkte mit meiner Gipshand zurück. Alle Klischees erfüllt. Ich habe noch das Bild vor Augen, wie sie da oben steht und bloß den Kopf schüttelt. Schon wieder so einer… Aber ich war ja nicht so einer.
Es ging dann alles ziemlich schnell, als ob wir es kaum erwarten konnten. Katrin wohnte bei ihren Eltern in Marzahn, in der Bärensteinstraße, ich übernachtete immer häufiger dort und zog nach einer Anstandsfrist kurzerhand bei ihr ein. Da es mit Danny zum Streit gekommen war, hielt ich es in der Josef-Orlopp-Straße sowieso nicht mehr aus, außerdem kam ich auch mit Katrins Eltern wunderbar klar, und die Wohnung war mit fünf oder sechs Zimmern groß genug für uns alle. Als Nächstes erwartete uns ein epochales Ereignis. Die Erde steuerte unaufhaltsam auf das Jahr2000 zu, und in diesem Punkt sah es weniger gut aus.
Um mich her redeten alle davon, dass das ganze System zerfallen würde. Die Computer sollten abstürzen und die zivilisierte Welt zum Stillstand kommen, mit anderen Worten, vom 1.Januar2000 an würden wir wieder in der Steinzeit leben. Das habe ich komischerweise sehr ernst genommen und am Vorabend der Katastrophe gedacht: Scheiß drauf, wenn jetzt wirklich alles den Bach runtergeht und wir morgen wirklich wieder in der Steinzeit leben– ich meine, Steinzeit kannte ich ja aus der Platte, aber jetzt eben mit Keule über der Schulter loslaufen und Fleisch besorgen–, dann schieß dich noch mal richtig ab. Haben wir uns ein paar
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