So fühlt sich Leben an (German Edition)
schnell zum Alex fahren und ’ne Torte abholen?« Und der Typ meint, er könne mir keinen Tag dazuschreiben?
» Nee, wirklich. Kann ich nicht machen.«
So ein Scheißkerl. Auf mich war wirklich Verlass gewesen. Klagen über mich sind mir jedenfalls keine zu Ohren gekommen. An Einsatzfreude hat mich keiner übertroffen. Und jetzt vermasselt er mir meine Bezüge. Wieder so eine Erfahrung mit dem Kapitalismus, habe ich gedacht. Und nicht im Entferntesten damit gerechnet, dass sich der Kapitalismus in naher Zukunft von seiner besten Seite zeigen würde. Von seiner allerbesten.
20 | Adrenalin & Blut
Ich strebte allerdings sowieso keine Karriere in der Tiefkühlbranche– oder der Logistikzunft– an. Ich wollte mich nicht für den Rest meines Arbeitslebens auf dem Bock durchschütteln lassen und Torten austragen, ich brauchte nur die Kohle. Zu der neuen Situation fiel mir vorläufig zweierlei ein. Erstens: zurück an die Tür. Zweitens: zurück ins Hansa.
Ich hatte die Musik ja nie aufgegeben. Für die deutsche Hip-Hop-Welt war ich nach wie vor der, der das Studio im Hansa hatte und den Zugang zur SSL -Oxford-Konsole. Also auf der einen Seite der Rapper Joe Rilla, auf der anderen Seite der, der für die Jungs vom Rap-Nachwuchs die Beats bastelte. Egal, welche Fortschritte meine Solokarriere machte, ich wollte unabhängig davon mit Leuten zusammenarbeiten, ich wollte anderen Künstlern auf ihrem Weg ins Musikgeschäft behilflich sein. Musik machen bedeutete für mich nach wie vor miteinander schaffen und füreinander da sein, deshalb habe ich über meine Firma Alphabeatz weiterhin Ost-Rappern auf die Sprünge geholfen, und zwar mit dem üblichen Feuereifer. Meine Kontakte reichten in alle Teile Deutschlands, in den Ruhrpott und bis nach München, und ich habe für die Jungs instrumentale Beats gemacht, Vertriebe gesucht und über Sven Meisel ein Album nach dem anderen veröffentlicht. Wiederholter Ärger stellte sich mit der Zeit deswegen ein, weil ich nun mal keine Halbherzigkeiten vertrage. Und Fakt ist, dass sich mancher nur deshalb an mich heftete, um von meinem Erfolg als Joe Rilla zu profitieren.
Ehrlich gesagt: Es war mir bisher nicht gelungen, mit meinen Produktionen für andere einen einzigen Volltreffer zu landen. Einfach, weil die jungen Leute sich bei mir dermaßen gut aufgehoben fühlten, dass sie glaubten, sich ihrerseits bequem zurücklehnen zu dürfen. Wenn ich das sah, habe ich meine Arbeitswut noch verdoppelt, mit dem Ergebnis, dass es bei mir irgendwann gerade so für chinesische Tütensuppen aus der Metro reichte, während meine Rapper frisch vom Shoppen mit ihren neusten Erwerbungen bei mir im Studio aufkreuzten, um ihre Tracks aufzunehmen. Die meisten von ihnen kifften und investierten ein Gutteil ihrer Kohle in Joints; auf die Idee, mir eine kleine Unterstützung angedeihen zu lassen, kam keiner. Eines Tages ist mir die Hutschnur geplatzt, und ich habe ein tierisches Fass aufgemacht : » Ihr Wichser verkifft eure Kohle, und ich muss Tütensuppen fressen! Leckt mich am Arsch! Raus aus meinem Studio, Kifferbande!«
An einem dieser beschissenen Vormittage klingelte das Telefon. Einer meiner Jungs war dran, Fabian, genannt Dra Q.
Er: » Dicker, ich hab da ’n heißes Ding am Laufen.«
Ich: » So? Was denn?
Er: » Ich mach bei einem Casting für McDonald’s mit.«
Ich: » Na und? Was weiter?«
Er: » Mal sehen. Wenn ich gewinne, rappe ich den neuen Trailer für die.«
Ich: » Wow. Echt krass.«
Und ein paar Wochen später kommt er an und erzählt mir, dass er gewonnen hat. » Ich nehm dich da mit rein, Dicker«, sagt er. » Ich erklär denen, dass ich nur von dir produziert werden will.« Na, abwarten, denke ich. Wort zu halten war nicht unbedingt die Stärke der Berliner Hip-Hop-Szene. Aber Fabian stand zu seinem Wort, und jetzt ging’s richtig los.
Die Werbeagentur von McDonald’s meldete sich bei mir, Heye & Partner aus München. Man wolle die neue Kampagne » sehr urban« gestalten, was immer das heißen sollte. Einerlei. Ich konnte mir an fünf Fingern ausrechnen, dass da Unmassen Kohle drin sein mussten, ich wusste auch, was ich als Komponist und Bastler draufhatte, und befand mich auf unserem Flug nach München in Hochstimmung.
Also, der neue Slogan lautete: » Ich liebe es… dadadadada.« Fabian sollte stimmlich rüberbringen, wie verdammt lecker die Burger von McDonald’s schmecken, und ich sollte die passenden Beats für ihn machen. Das Endprodukt wäre dann eine Single
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