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So fühlt sich Leben an (German Edition)

So fühlt sich Leben an (German Edition)

Titel: So fühlt sich Leben an (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagen Stoll
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machen pflegten. Setzen wir ihnen die nächsten Ausländer vor die Nase, hat sich vielleicht einer gesagt, und dann viel Spaß… Die Russen waren skrupellos. Das wurde mir klar, als sie Björn erschossen. Der hatte von ihnen Pillen auf Kombi gekauft, also auf Kommission, sich den Gewinn in die eigene Tasche gesteckt und einen nagelneuen BMW 815 zugelegt. Dass sich die Russen dieses Spiel nicht lange angucken würden, war abzusehen. Aber gleich erschießen?
    Also, bei uns war immer noch genug los, und des Nachts holte ich mir den Schuss Wirklichkeit, den ich für meine Songs brauchte, an der Tür ab.
    Wobei wir die Gäste ganz gut im Griff hatten, nur das plötzlich von ganz anderer Seite Gefahr drohte. Wir bekamen nämlich Wind davon, dass bestimmte arabische Großfamilien aus Westberlin die Türen der Fun - Diskothekenkette übernehmen wollten und dabei großen Eifer an den Tag legten, weil es in diesem Zusammenhang auch um Drogen ging; da stand also ein lukrativer Geschäftsbereich zur Umverteilung an, und dasFun in Berlin-Vogelsdorf sollte, wie man hörte, am übernächsten Wochenende den Anfang machen. Vor dem Fun in Vogelsdorf stand ich in diesen Tagen.
    Was tun? Wir waren entschlossen, diese Bastion zu halten, mussten aber mit einem größeren Aufgebot rechnen. Mein Kollege Bensing berief daraufhin eine Türsteherversammlung ein, eine Art Strategiekonferenz. Er gehörte den BFC -Hools an und war in der Stimmung, ein Exempel zu statuieren.
    » Seien wir ehrlich«, sagte er, » es nervt, dass diese Typen immer wieder rüberkommen und es bei uns versuchen. Diesmal müssen wir durchgreifen, damit sie endlich kapieren, dass sie nicht mehr zu kommen brauchen.«
    » Alles klar«, sagt Gronke, » dann mach mal einen Vorschlag.«
    Und Bensing: » Pass uff. Wir machen det folgendermaßen. Wir gaukeln Hochbetrieb vor, und in Wirklichkeit ist der Laden voller BFC -Hools. Die sollen ihre Mädels mitbringen, dann haben wir hier zweitausend Leute, und tausendfünfhundert davon sind BFC -Hooligans der Kategorie C. Die machen ganz normal Party. Wenn die Araber auftauchen, sollen sie ruhig reinkommen. Dann machen wir vorn die Tür zu und knöpfen sie uns vor. Und dann müsste es mit dem Teufel zugehen, wenn sie nicht auf allen vieren hier rauskriechen.«
    Gesagt, getan. Ich werde diesen Tag nie vergessen. Die wollten Vogelsdorf, weil Vogelsdorf am besten lief– lag zwar am Rand von Berlin, war aber eine geile Strecke für Leute, die in aufgemotzten Karren mit aufgedrehtem Tuner aus der Innenstadt angekachelt kamen–, und zwei Wochen später war es so weit: das ganze Publikum im Fun nur kaputte Typen, BFC -Hools eben, weltweit berüchtigt für ihre Brutalität, und ich mittenmang. Die Party lief auf vollen Touren, es wurde später und später, die Ersten sagten schon: Das wird heute nichts mehr– da rauschten sie an, typisch Westmilieu, alle in Nobelkarossen, 7er BMW , S-Klasse, alle schwarz, alle getönte Scheiben, zehn, fünfzehn Autos, recht schwungvoll vor unserem Haus zum Stehen gebracht. Dann stiegen die Gestalten aus, und unsere Jungs an der Tür sagten bloß: » Wir wollen uns mit euch nicht anlegen, bitte schön.«
    Sie traten ein, etwa fünfzig, sechzig Mann. Die Mucke pumpte, die Bässe vibrierten, alles klar, müssen sie sich gedacht haben, und während sie sich die Hände rieben, wurden die Eingangstür verschlossen und die Notausgänge besetzt, das Licht ging an, die Musik brach ab, und eine gewaltige Übermacht von BFC -Hools fiel über sie her. Mit Barhockern, mit Bierkrügen, mit allem, was zur Hand war, ich zum Beispiel mit einem dieser alten, schweren Ost-Aschenbecher, und ich vermute, dass auch unsere Besucher diese Nacht nie vergessen werden. Eine Riesentraube, immer drauf, und nach wenigen Minuten war’s vorbei. Wie Bensing prophezeit hatte, verließen sie das Fun auf allen vieren, erreichten mit Mühe und Not ihre Edelkarossen und schlichen sich etwas unkoordiniert davon. Was müssen die im Westen erzählt haben! » Wir waren in ’ner Disse in Vogelsdorf und haben vom Publikum die Schnauze vollgekriegt.« Zu meiner Zeit sind sie jedenfalls nicht wieder aufgetaucht. Und dann wurde gefeiert. Der DJ legte » We Are the Champions« auf, und wir die T-Shirts runtergerissen und gesoffen und getanzt und » Ostberlin!« und » BFC !« gebrüllt. Die beste Party meines Lebens. Wahnsinn. Was für ein Abend…
    Das war zu der Zeit, als der Kuchen verteilt wurde. Mittlerweile sind die Claims abgesteckt, und die

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