So funktioniert die Wirtschaft
keine negative Beschäftigungswirkung, wie unter anderem das Autorenteam Dube, Lester und Reich (2010) festgestellt hat. Die erhebliche positive Wirkung von Mindestlöhnen auf das Einkommen der Geringverdiener zog also gar keine oder nur wenig höhere Arbeitslosigkeit nach sich. Für Frankreich, wo der Mindestlohn besonders hoch ist, und es â anders als z. B. in GroÃbritannien â für Berufsanfänger nur einen geringen Abschlag gibt, stellten Ãkonomen allerdings fest, dass der Mindestlohn die Einstiegschancen junger Menschen in den Arbeitsmarkt verschlechterte.
Marktmacht als Erklärungsansatz
Am Beispiel der Mindestlöhne wird ein weiterer Grund erkennbar, warum von Gewerkschaften oder vom Staat durchgesetzte Lohnsteigerungen nicht unbedingt zu weniger Beschäftigung führen: die Nachfragemacht der Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt. Die Arbeitgeber müssen den Preis für Arbeit nicht als vom Markt vorgegeben hinnehmen, sondern können diesen beeinflussen, indem sie mehr oder auch weniger Arbeitskräfte einstellen.
Die Marktmacht der Arbeitgeber resultiert daraus, dass die meisten Arbeitnehmer räumlich gebunden sind. Die Anfahrt zu weiter entfernten Arbeitsplätzen ist für sie aufwändig. Einen Umzug oder weite Anfahrtswege nehmen sie nur in Kauf, wenn sie dafür höher entlohnt werden. Umgekehrt akzeptieren sie für Arbeit in der Nähe von Wohnort und Familie einen geringeren Lohn. Das Angebot an passenden Arbeitsplätzen im richtigen Beruf in unmittelbarer Nähe zum Standort ist meist sehr begrenzt, sodass der Wettbewerb zwischen den Arbeitgebern gering ist. Ein Arbeitgeber, der eine Belegschaft von örtlich gebundenen Mitarbeitern aus der Nähe hat, kann relativ niedrige Löhne zahlen.
Das beeinflusst die Auswirkung eines von auÃen gesetzten Mindestlohns, wie das folgende Zahlenbeispiel zeigt. (Das gleiche Kalkül gilt sinngemäà auch für andere Formen von Lohnuntergrenzen, wie etwa Tariflöhne, an die sich die Arbeitgeber halten müssen.) Ein Einzelhändler habe zehn Mitarbeiter, alle in der Nähe des Betriebes ansässig und relativ gering bezahlt, sagen wir mit 6 EUR je Stunde. Der Reinertrag (Wertschöpfung) abzüglich aller sonstigen Kosten liege bei 10 EUR je Stunde und Mitarbeiter, sodass bei zehn Mitarbeitern nach Abzug des Lohns ein Gewinn von 40 EUR je Stunde verbleibt (Szenario 1).
Szenario
1
2
3
Mitarbeiter
10
20
  10
Lohn (EUR/Std.)
6
8
    7
(Mindestlohn)
Lohnsumme (EUR/Std.)
60
160
  70
Wertschöpfung (EUR/Std.)
100
200
100
Gewinn (EUR/Std.)
40
40
  30
Ein Mindestlohn macht gröÃere Betriebe relativ rentabler
Der Betrieb könnte sich vergröÃern und 20 Mitarbeiter beschäftigen, hätte dann aber Schwierigkeiten, zum Lohn von 6 EUR genügend Arbeitskräfte zu finden. Um 20 Stellen adäquat zu füllen, müsste er vielleicht 8 EUR je Stunde bezahlen (Szenario 2). Diesen Lohn müsste er aber dann i. d. R. auch den Altbeschäftigten anbieten, da diese sonst unzufrieden wären, wodurch der Betriebsfrieden gestört würde. Deshalb erwirtschaftet der Betrieb mit 20 Mitarbeitern keinen höheren Gewinn als mit zehn billigeren Arbeitskräften.
Wenn aber der Gesetzgeber einen Mindestlohn von 7 EUR vorschreibt (Szenario 3), sieht das Kalkül anders aus. Dann entfällt die Niedriglohnvariante aus Szenario 1 und der Vergleich findet nur noch zwischen Szenarien 3 und 2 statt. Der kleine Betrieb (Szenario 3) erzielt nur 30 EUR Gewinn. Im Gewinnvergleich zwischen dem gröÃeren Betrieb, der ohnehin über Mindestlohn bezahlt, und dem kleineren Betrieb schneidet der gröÃere nun besser ab.
Unser Beispiel setzt voraus, dass die Produktivität der Arbeitnehmer, ihre Ausbringung pro Stunde, gleich bleibt. In der Praxis entstehen jedoch meist Produktivitätsgewinne für gröÃere Betriebe, weil sich die Fixkosten auf mehr Produkte verteilen. AuÃerdem besteht die Aussicht, dass die Mitarbeiter engagierter und loyaler sind, wenn sie besser bezahlt werden.
Wichtig
Ein höherer Lohn kann dazu beitragen, die Beschäftigung zu steigern, weil ein Anreiz für die Betriebe wegfällt, klein zu bleiben, um die Löhne niedrig zu halten. Hinzu kommt, dass besser bezahlte Arbeitnehmer meist auch besser arbeiten.
Andererseits gibt es aber auch den Effekt, dass manche Betriebe keinen Gewinn mehr erzielen
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