So gut wie tot
und führte einem Engländer gerne vor, wie gut das amerikanische Bier war.
Die drei Polizeibeamten hatten jeweils sechs verschiedene Probiergläser vor sich stehen. Sie waren auf einer runden blauen Fläche in der Tischmitte angeordnet, auf der die Namen der jeweiligen Biersorten standen. Pats Cousin, ein stämmiger Brillenträger Mitte vierzig, der ebenfalls Patrick hieß, erklärte Grace die Herstellung der verschiedenen Sorten.
Roy hörte nur mit einem Ohr hin. Er war müde, nach britischer Zeit war es sehr spät. Die heutigen Ermittlungen hatten nichts ergeben, lauter Nieten. Nur die frühreif aussehende Bratz-Puppe für sein Patenkind hatte er erfolgreich erstanden. In seinen Augen sah sie aus wie eine Barbie, die ins Sexgeschäft eingestiegen war. Andererseits – was wusste er schon vom Geschmack einer Neunjährigen?
Ronnie Wilson hatte sich am 10. September abends um elf Uhr einen kostenpflichtigen Porno angeschaut. Mehr Neuigkeiten konnte der Manager des W nicht beisteuern.
Keiner der sieben Briefmarkenhändler, die sie aufgesucht hatten, erkannte Wilsons Namen oder Foto.
Während sich Pats Cousin über die Wissenschaft hinter der Biersorte ausließ, die Roy am besten schmeckte – sie nannte sich Checker Cab Blonde Ale –, schaute er aus dem Fenster hinaus in die Dunkelheit. Die Masten der Yachten im Hafen waren noch zu erkennen, dahinter der dunkle Hudson und die Lichter von New Jersey. Die Stadt war so ungeheuer groß, so viele Menschen kamen und gingen. Wenn man hier wohnte, begegnete man jeden Tag tausend verschiedenen Gesichtern. Wie sollte sich jemand an ein Gesicht von vor sechs Jahren erinnern?
Dennoch musste er es versuchen. Klinken putzen. Die gute alte Polizeiarbeit. Die Aussicht, dass Ronnie noch hier lebte, war gering. Vermutlich war er nach Australien gegangen, darauf deuteten jedenfalls die neuesten Beweise hin. Er überschlug rasch die Zeitunterschiede im Kopf, während Patrick den subtilen Karamellgeschmack von Sunset Red Ale anpries.
Es war sieben Uhr abends. In Melbourne war es neun Stunden später als in Großbritannien, und in Großbritannien war es fünf Stunden später als in New York. Also vierzehn Stunden. Neun Uhr morgens.
Die Polizei in Melbourne würde hoffentlich schon vor dem Besuch von Norman und Nick überprüfen, ob Ronnie Wilson irgendwann nach dem September 2001 nach Australien eingereist war.
Dann fiel ihm noch etwas ein. Er holte sein Notizbuch heraus und blätterte zurück zu den Notizen, die er sich bei seinem Gespräch mit Terry Biglow gemacht hatte. Es war eine Liste der Freunde und Bekannten von Ronnie Wilson. Chad Skeggs, hatte er sich notiert. Nach Australien ausgewandert. Bransons Erkenntnisse und die Tatsache, dass Ronnie wahrscheinlich in Australien lebte, machten Chad Skeggs zur Zielperson Nummer eins für Potting und Nicholas.
Schließlich war Patrick fertig mit seinen Erläuterungen und überließ Roy seinem persönlichen Humpen Checker Cab. Die drei Ermittler hoben ihre Gläser.
»Danke, Leute, dass ihr euch die Zeit genommen habt. Das weiß ich sehr zu schätzen. Die Runde geht übrigens auf mich.«
»Wir sind hier bei meinem Cousin«, widersprach Pat. »Da bezahlst du keinen Cent.«
»Außerdem bist du unser Gast, wenn du nach New York kommst«, sagte Dennis. »Aber du solltest lieber eine Hypothek aufnehmen, wenn wir dich in England besuchen!«
Sie lachten.
Plötzlich aber wirkte Pat traurig. »Habe ich dir jemals von den Wohlfühlhunden erzählt, die wir nach dem 11. September hatten?«
Grace schüttelte den Kopf.
»Manche Leute brachten ihre Hunde mit zum Trümmerfeld, in den Bauch des Ungeheuers. Einfach nur, damit die Arbeiter sie streicheln konnten.«
Dennis nickte. »Ja, so hat man sie genannt, Wohlfühlhunde.«
»Es war eine Art Therapie. Wir haben solche furchtbaren Dinge gefunden. Die Leute dachten, es würde uns helfen, etwas Lebendiges zu berühren und die Hunde zu streicheln.«
»Ich glaube, es hat irgendwie funktioniert«, sagte Dennis. »Die ganze Sache mit dem 11. September hat in vielen Menschen das Gute geweckt.«
»Aber auch das Schlechte«, erinnerte ihn sein Kollege. »An Pier 92 haben wir pro Person zwischen fünfzehnhundert und zweieinhalbtausend Dollar in bar ausgezahlt, je nachdem was die Leute im Notfall dringend brauchten. Davon haben die Schweinehunde natürlich auch gehört. Mehrere haben uns erzählt, sie hätten Angehörige verloren, obwohl das gar nicht stimmte.«
»Aber wir haben sie erwischt«,
Weitere Kostenlose Bücher