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So gut wie tot

Titel: So gut wie tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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erklärte Dennis mit grimmiger Genugtuung. »Es hat eine Weile gedauert, aber letztlich haben wir sie alle erwischt.«
    »Die Sache hatte auch ihr Gutes. Sie hat der Stadt wieder Herz und Seele geschenkt. Ich glaube, die Menschen sind seither etwas freundlicher geworden.«
    »Und manche auch sehr viel reicher.«
    Pat nickte. »Da hast du recht.«
    Dann musste Dennis lachen. »Meine Frau Rachel hat einen Onkel, dem gehört eine Stickerei, er fertigt Sachen für die Souvenirläden an. Ein paar Wochen nach dem 11. September habe ich bei ihm vorbeigeschaut. Er heißt Hymie, ist Jude, zweiundachtzig und arbeitet immer noch vierzehn Stunden am Tag. Der netteste Mensch, den man sich vorstellen kann. Seine Familie hat den Holocaust überlebt. Er würde jedem helfen. Jedenfalls ging ich in den Laden, und es war mehr Betrieb, als ich je erlebt habe. Berge von T-Shirts, Sweatshirts, Baseballkappen und Unmengen von Leuten, die stickten, bügelten, Maschinen bedienten und eintüteten.«
    Er trank einen Schluck Bier und schüttelte den Kopf.
    »Onkel Hymie musste zusätzliches Personal einstellen, weil er die Aufträge gar nicht mehr bewältigen konnte. Es war lauter Kram mit den Zwillingstürmen drauf. Ich fragte ihn, wie das Geschäft so laufe. Und er saß mitten in diesem Chaos und schaute mich lächelnd an. Das Geschäft laufe prima, besser denn je.« Dennis nickte und zuckte die Achseln. »Tragödien sind ein gutes Geschäft.«
    99
    2. NOVEMBER 2001 Lorraine lag im Bett. Sie war hellwach. Die Schlaftabletten, die ihr der Arzt verschrieben hatte, wirkten wie ein doppelter Espresso.
    Der Fernseher lief, das lausige tragbare Gerät, das früher im Gästezimmer gestanden hatte und als einziges nicht von den Gerichtsvollziehern beschlagnahmt worden war. Gerade wurde ein alter Film gezeigt. Wie er hieß, wusste sie nicht, doch sie ließ den Fernseher die ganze Zeit als Hintergrundberieselung laufen. Das Licht gefiel ihr, die Geräusche, das Gefühl, nicht allein zu sein.
    Steve McQueen und Faye Dunaway spielten in einer schicken Wohnung mit stimmungsvoller Beleuchtung Schach. Die Atmosphäre war erotisch aufgeladen und voller Andeutungen.
    Auch sie und Ronnie hatten miteinander gespielt. Sie erinnerte sich an die frühen Jahre, als sie verrückt nacheinander gewesen waren und manchmal ganz schön wilde Sachen gemacht hatten. Sie spielten Strip-Schach, bis sie unweigerlich nackt und er noch vollständig bekleidet war. Strip-Scrabble gab es auch.
    Nie wieder. Sie zog die Nase hoch.
    Es fiel ihr schwer, sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Einen klaren Gedanken zu fassen. Sie konnte immer nur an Ronnie denken. Wie sehr sie ihn vermisste. Wenn sie einmal lange genug schlief, um zu träumen, träumte sie von ihm. In ihren Träumen war er noch lebendig, lächelte und sagte ihr, wie dumm sie doch sei, dass sie ihn für tot hielt.
    Wenn sie an den Inhalt des FedEx-Umschlags dachte, der Ende September eingetroffen war, zitterte sie noch immer am ganzen Leib. Man hatte ihr Fotos von Ronnies Brieftasche und Handy geschickt. Am schlimmsten war das Bild der versengten Brieftasche gewesen. War er bei lebendigem Leib verbrannt?
    Plötzlich überkam sie wieder diese ungeheure Trauer. Sie begann zu weinen. Umklammerte ihr Kissen und schluchzte sich die Seele aus dem Leib. »Ronnie«, murmelte sie. »Ronnie, mein geliebter Ronnie. Ich liebe dich so sehr.«
    Nach einigen Minuten hatte sie sich beruhigt und betrachtete den flackernden Bildschirm. Und dann, zu ihrem namenlosen Entsetzen, öffnete sich die Schlafzimmertür. Eine Gestalt kam herein. Ein großer, schwarzer Schatten. Ein Mann, dessen Gesicht unter der Kapuze einer Regenjacke verborgen war. Er kam genau auf sie zu.
    Entsetzt rutschte sie im Bett nach hinten, tastete blindlings nach dem Nachttisch, nach einer Waffe. Ihr Wasserglas zerbrach auf dem Boden. Sie wollte schreien, doch nur ein schwacher Laut drang aus ihrem Mund, bevor sich eine Hand darüber legte.
    Dann hörte sie Ronnies Stimme. Scharf und gedämpft.
    Er nahm die Hand weg und zog die Kapuze herunter.
    Sie schaltete die Nachttischlampe ein. Starrte ihn ungläubig an. Einen Geist, der jetzt einen Bart trug und den Kopf rasiert hatte. Einen Geist, der nach Ronnie roch, seiner Haut, seinem Eau de Toilette. Der ihr Gesicht mit Händen umfing, die sich wie Ronnies Hände anfühlten.
    Sie starrte ihn mit völligem Unverständnis an, während allmählich eine ungeheure Freude in ihr zu lodern begann. »Ronnie? Du bist es doch,

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