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So gut wie tot

Titel: So gut wie tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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großen Tageszeitungen anging.
    Für die Lokalreporter gab die unbekannte Frau jedoch einiges her, zumal man ihre sterblichen Überreste auf einer der größten Baustellen entdeckt hatte, die es in der Stadt je gegeben hatte. Dadurch gewann die Geschichte eine gewisse historische Dimension. Man erinnerte an die Koffermorde von Brighton, zwei voneinander unabhängige Mordfälle aus dem Jahre 1934, bei denen man zerstückelte Frauenleichen in Koffern gefunden hatte. Die Fälle hatten Brighton den unwillkommenen Titel »Verbrechenshauptstadt Englands« eingetragen.
    Ein örtliches Fernsehteam der BBC war erschienen, dazu ein Vertreter von Southern Counties Radio, ein junger Mann vom Internetsender Absolute Television samt Videokamera, einige Leute von Londoner Zeitungen, die Grace kannte, ein Reporter vom Sussex Express und natürlich der unvermeidliche Kevin Spinella.
    Obwohl Grace ihn nicht mochte, zollte er dem jungen Journalisten inzwischen widerwillig Respekt. Spinella war fleißig, genau wie er selbst. In einem früheren Fall hatte er versprochen, wichtige Informationen zurückzuhalten, und sich damit als Mann erwiesen, mit dem die Polizei arbeiten konnte. Einige Kollegen betrachteten Journalisten samt und sonders als Ungeziefer, doch Grace empfand das anders. Bei den meisten Kapitalverbrechen war man auf Zeugen angewiesen, die sich oft nur deshalb meldeten, weil sie sich durch die Berichterstattung der Medien an etwas erinnert hatten. Ging man mit der Presse richtig um, konnte sie einem eine Menge Arbeit abnehmen.
    Da er an diesem Morgen kaum Informationen zu bieten hatte, konzentrierte sich Grace auf die wichtigsten Punkte: Alter und ungefähre Beschreibung der Frau und der geschätzte Zeitraum, wie lange sie in dem Kanal gelegen haben mochte. Er hoffte, ein Familienmitglied oder der Freund einer Frau, die in besagtem Zeitfenster verschwunden war, werde sich melden.
    Grace fügte hinzu, dass man die genaue Todesursache noch nicht kenne, dass Erdrosseln aber wahrscheinlich sei und der Mörder sich gut in der Gegend ausgekannt haben müsse.
    Als er um kurz vor halb eins den Konferenzraum verlassen wollte, rief jemand seinen Namen.
    Kevin Spinella neigte dazu, ihm nach Pressekonferenzen aufzulauern und ihn außer Hörweite der anderen Journalisten mit Fragen zu löchern.
    »Detective Superintendent Grace, hätten Sie einen Augenblick Zeit?«
    Einen Moment lang fragte sich Roy, ob Spinella von seiner Beförderung gehört hatte. Eigentlich war es undenkbar, doch er vermutete schon länger, dass der Reporter einen Informanten innerhalb der Behörde hatte. Er schien stets früher als alle anderen Bescheid zu wissen. Roy würde das irgendwann herausfinden, was jedoch nicht so einfach war. Wenn man zu tief grub, riskierte man Ärger mit den Kollegen.
    Der junge Reporter trug wie immer Anzug und Krawatte und sah sehr viel geschäftsmäßiger aus als am Samstagmorgen, als er vom Regen durchweicht auf der Baustelle aufgetaucht war.
    »Hat nichts mit dem Fall zu tun«, erklärte Spinella Kaugummi kauend. »Wollte es Sie trotzdem wissen lassen. Am Samstagabend rief mich ein Kontaktmann von der Feuerwehr an. Sie waren unterwegs in ein Haus in Kemp Town, um jemanden aus einem stecken gebliebenen Aufzug zu retten.«
    »Mann, führen Sie ein aufregendes Leben!«, zog Grace ihn auf.
    »Das können Sie laut sagen«, erwiderte Spinella ernst, als hätte er den Witz nicht verstanden. »Die Sache ist die. Die Frau …« Er zögerte und tippte sich an die Nase. »Sie haben doch einen Riecher für so was, oder?«
    Grace zuckte die Achseln. Er wählte seine Worte immer bedachtsam, wenn er mit Spinella zu tun hatte. »Das sagt man doch allen Polizisten nach.«
    »Ich hab auch den richtigen Riecher. Für eine gute Story. Sie verstehen, was ich meine.«
    Grace schaute auf die Uhr. »Ich habe es eilig.«
    »Ich möchte Sie auch gar nicht lange aufhalten. Wollte Ihnen nur einen Tipp geben, sonst nichts. Die Frau, Ende zwanzig, sehr hübsch – mit der stimmte etwas nicht.«
    »In welcher Hinsicht?«
    »Sie war sehr aufgeregt.«
    »Na ja, immerhin war sie im Aufzug stecken geblieben.«
    Spinella schüttelte den Kopf. »Nicht auf diese Art aufgeregt.«
    Grace musterte ihn. Er wusste genau, wie unterschiedlich die Geschichten waren, über die Lokalreporter berichten mussten. Plötzliche Todesfälle, Autounfälle, Überfälle, Einbrüche, Vermisstenfälle. Spinella begegnete tagtäglich den unterschiedlichsten Leuten. Obwohl er noch jung war,

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