So gut wie tot
russischen Schilder. Ein Wodka wäre auch nicht schlecht.
Er stand auf und griff nach dem Koffer. Die Räder rumpelten rhythmisch über die Planken der Promenade. Da, das erste Geschäft in der Reihe. In blauen, roten und weißen Buchstaben waren die Wörter MOSKAU und BAR zu lesen. Dahinter auf einer grünen Markise in gelben Buchstaben TATJANA.
Er ging in die MOSCOW BAR. Sie war fast leer und ziemlich düster. Rechts verlief eine lange hölzerne Theke, davor standen Barhocker mit rotem Leder und Chromfüßen, links eine rote Lederbank und Metalltische. Zwei Männer, die wie schwere Jungs aus einem Bondfilm aussahen, hockten an der Theke. Sie hatten die Köpfe rasiert, trugen schwarze kurzärmelige T-Shirts und glotzten wie hypnotisiert auf einen Großbildfernseher an der Wand.
Vor ihnen standen Schnapsgläser, daneben eine Flasche Wodka im Eiskübel und ein überquellender Aschenbecher. Auf der Lederbank saßen zwei junge Typen in teuren Lederjacken, die fette Ringe an den Fingern trugen. Sie tranken Kaffee, einer rauchte.
Kaffee und Zigaretten, ein angenehmer Geruch, dachte Ronnie. Es waren starke russische Zigaretten. In der Kneipe hingen Schilder mit kyrillischer Schrift und Fahnen und Wimpel von Fußballvereinen, die meisten aus England. Er erkannte Newcastle, Manchester United und Chelsea.
Im Fernsehen zeigte man Bilder aus der Hölle. Niemand sagte etwas. Ronnie schaute auch hin, er konnte nicht anders. Zwei Flugzeuge flogen nacheinander in die Zwillingstürme. Dann stürzten die Türme nacheinander ein. Egal, wie oft er diese Bilder ansah, es wurde immer schlimmer.
»Ja, Sir?«
Gebrochenes Englisch. Der Barkeeper war ein Hänfling mit schwarzem Haar, das er in die Stirn gekämmt trug. Über sein ungebügeltes Jeanshemd hatte er eine schmuddelige Schürze gebunden.
»Haben Sie Kalaschnikow-Wodka?«
Der Mann sah ihn ausdruckslos an. »Kraschakow?«
»Egal, irgendeinen Wodka, pur, und einen Espresso. Haben Sie Espresso?«
»Russische Kaffee.«
»Auch gut.«
Der Hänfling nickte. »Russische Kaffee. Wodka.« Er ging gebückt, als hätte er Rückenschmerzen.
Im Fernsehen sah man jetzt einen kahlköpfigen Schwarzen, der mit grauem Staub bedeckt war und eine Sauerstoffmaske auf dem Gesicht trug, die an einen aufgeblähten Beutel angeschlossen war. Ein Mann mit rotem Helm, roter Gesichtsmaske und schwarzem T-Shirt schob ihn durch den grauen Schnee voran.
»So viel Scheiße!«, sagte der Hänfling. »Manhattan. Unglaublich. Sie wissen? Sie wissen was passiert?«
»Ich war dabei«, antwortete Ronnie.
»Was? Sie dabei?«
»Geben Sie mir was zu trinken. Ich hab’s nötig«, knurrte er.
»Ich hole Drink. Keine Sorge. Sie dabei?«
»Ist das so schwer zu verstehen?«
Der Barkeeper wandte sich beleidigt ab und holte eine Wodkaflasche. Einer der Bondbösewichte drehte sich zu Ronnie und hob sein Glas. Er nuschelte betrunken vor sich hin. »Wissen Sie was? Vor dreißig Jahren hätte ich Genosse zu Ihnen gesagt. Jetzt sag ich Kumpel. Verstehen Sie, was ich meine?«
Ronnie hob sein Glas, das der Barkeeper ihm hingestellt hatte. »Nicht direkt.«
»Sind Sie schwul oder was?«
»Nein, bin ich nicht.«
Der Mann stellte sein Glas ab und gestikulierte. »Ich hab kein Problem mit Schwulen. Ganz und gar nicht.«
»Prima. Ich auch nicht.«
Der Mann grinste. Er zeigte furchtbare Zähne, einen richtigen Trümmerhaufen. Der Mann hob sein Glas, und Ronnie stieß mit ihm an. »Prost.«
Im Fernsehen sah man jetzt George W. Bush. Er trug einen dunklen Anzug mit orangefarbener Krawatte und saß in einem Klassenzimmer vor einer kleinen Tafel. Hinter ihm hingen Bilder an der Wand, eins davon zeigte einen Bären mit gestreiftem Schal, der Fahrrad fuhr. Ein Mann im Anzug flüsterte Bush etwas ins Ohr. Dann blendete man zu einem Flugzeugwrack über.
»Sie sind okay«, sagte der Mann zu Ronnie. »Sie gefallen mir. Sie sind okay.« Er schenkte sich Wodka nach und hielt die Flasche über Ronnies Glas. Als er sah, dass es noch voll war, legte er sie wieder in den Eiskübel. »Sie sollten trinken.« Er leerte sein Glas. »Heute müssen wir trinken.« Er drehte sich wieder zum Fernseher. »Das ist nicht wahr. Das kann nicht sein.«
Ronnie trank einen Schluck. Der Wodka brannte in seiner Kehle. Dann kippte er das ganze Glas hinunter. Es wirkte sofort, entfachte tief in seinem Inneren ein Feuer. Er schenkte sich und seinem neuen besten Freund nach.
Schweigend schauten sie auf den Fernseher.
Nach einigen Gläsern fühlte
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