So gut wie tot
Familienfotos, Fußballergebnisse oder Karikaturen. Fast alles war zweckmäßig und bezog sich ausschließlich auf die Ermittlungen. In diesem Raum gab es wenig Geplänkel, nur konzentrierte Stille, das leise Klingeln von Telefonen und das Schaben, mit dem das Papier aus den Druckern quoll.
Das Team, das Grace für die Operation Dingo zusammengestellt hatte, war komplett versammelt. Er war fest davon überzeugt, dass man, wenn möglich, immer mit denselben Leuten zusammenarbeiten sollte. Mit diesen Kollegen hatte er in den vergangenen Monaten kooperiert und nur bei der Auswahl Norman Pottings ein wenig gezögert, weil dieser das Talent besaß, sich unbeliebt zu machen. Andererseits war der Mann ein äußerst fähiger Polizist.
Seine Vertreterin war Detective Inspector Lizzie Mantle. Grace mochte sie sehr und war sogar eine Weile in sie verliebt gewesen. Sie war Ende dreißig, attraktiv, mit gepflegtem blondem Haar, das ihr auf die Schultern fiel. Hinter ihrem femininen Äußeren verbarg sich eine stahlharte Persönlichkeit. Sie trug gern Hosenanzüge und hatte für diesen Tag graue Nadelstreifen gewählt, die auch einem Börsenmakler angestanden hätten. Vervollständigt wurde das Ensemble durch ein weißes Herrenhemd.
DI Kim Murphy, eine andere Kollegin, sah ähnlich gut aus, und bisweilen wurde böse getuschelt, dass man in dieser Behörde nur nett aussehen müsse, wenn man Karriere machen wolle. Was natürlich ganz und gar nicht stimmte, wie Grace sehr gut wusste. Die beiden Frauen hatten es in jungen Jahren so weit gebracht, weil sie es absolut verdient hatten.
Seine eigene Beförderung würde vermutlich neue Aufgaben mit sich bringen, und er musste sich auf Lizzies Unterstützung verlassen können.
Neben ihr hatte er die Detective Sergeants Glenn Branson, Norman Potting und Bella Moy ausgewählt. Die fröhliche, fünfunddreißigjährige Bella mit dem hennagefärbten Haar hatte wie immer eine Schachtel Maltesers neben der Tastatur stehen. Roy beobachtete, wie ihre rechte Hand dann und wann einen verstohlenen Abstecher in die Schachtel machte, eine Kugel in den Mund steckte und wieder zur Tastatur wanderte. Sie war schlank, obwohl Grace niemanden kannte, der so viel Schokolade aß wie Bella.
Neben ihr saß der schlaksige Detective Constable Nick Nicholas, siebenundzwanzig und lang wie eine Bohnenstange. Der ehemalige Mittelstürmer war ein eifriger Ermittler und von Grace für das Rugbyteam der Sussex Police geworben worden. Im Augenblick war er allerdings nicht ganz so nützlich wie erwartet, da er vor kurzem Vater geworden war und unter chronischem Schlafmangel litt.
Ihm gegenüber arbeitete sich die junge, lebhafte Emma-Jane Boutwood durch einen dicken Stapel Computerausdrucke. Sie war vor einigen Monaten bei einer Verfolgungsjagd schwer verletzt worden, als ein gestohlener Lieferwagen sie gegen eine Mauer drückte. Eigentlich war sie noch in Genesungsurlaub, hatte Grace aber gebeten, sie schon für leichtere Aufgaben einzuteilen.
Glenn Branson trug einen schwarzen Anzug, ein Hemd in schreiendem Lila und eine scharlachrote Krawatte. Er blickte auf, als Grace eintrat. »Hi, Oldtimer«, begrüßte er ihn, wirkte aber zurückhaltender als sonst. »Können wir nachher mal in Ruhe reden?«
Grace nickte seinem Freund zu. »Na klar.«
Nun gingen auch andere Köpfe hoch.
»Der Herrgott persönlich!«, verkündete Norman Potting und tat, als wolle er den Hut ziehen. »Dürfte ich zunächst meine herzlichen Glückwünsche zur Beförderung zum hohen Tier aussprechen?«
»Danke, Norman, aber an hohen Tieren ist nichts Besonderes.«
»Genau da irren Sie sich, Roy«, konterte Potting. »Wer wollte behaupten, eine Giraffe sei ein Tier wie jedes andere?« Er strahlte, als hätte er eine unergründliche Weisheit von sich gegeben.
Bella, die ihn nicht ausstehen konnte, stürzte sich sofort wie ein Raubvogel auf ihn. »Ihre Witze werden auch nicht besser, Norman. Und von Biologie haben Sie keine Ahnung.«
»Vielleicht doch.«
»Dann sollten Sie lieber im Zoo als bei der Polizei arbeiten.« Mit diesen Worten warf sie sich noch ein Stückchen Schokolade in den Mund.
Grace setzte sich auf den einzigen freien Platz am Ende des Tisches, genau zwischen Potting und Bella, und rümpfte die Nase, als er den abgestandenen Pfeifenrauch roch.
Bella wandte sich an Grace. »Meinen Glückwunsch, Roy. Das ist mehr als verdient.«
Der Detective Superintendent nahm weitere Gratulationen entgegen und legte dann die Tagesordnung
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