So gut wie tot
vor sich auf den Tisch.
»Dies ist die zweite Besprechung der Operation Dingo. Wir ermitteln im Fall einer unbekannten Frau, vermutlich ermordet. Heute ist Tag drei nach Entdeckung der sterblichen Überreste.«
Er fasste zunächst die Ergebnisse der forensischen Archäologin zusammen und las die wichtigsten Passagen aus Frazer Theobalds umständlicher Bewertung vor. Das gebrochene Zungenbein der Frau deutete auf einen Tod durch Erdrosseln hin. Die Haarproben wurden noch auf mögliche Gifteinwirkungen untersucht. Weitere Verletzungen am Skelett wie Brüche oder Schnitte, die auf eine Messerwunde hindeuteten, waren nicht gefunden worden.
Grace trank einen Schluck Wasser und bemerkte dabei, dass Norman Potting sehr selbstzufrieden aussah.
»Kommen wir zur Personaleinteilung. Da es sich nicht um einen aktuellen Fall handelt, werde ich das Team zu diesem Zeitpunkt nicht vergrößern.« Er arbeitete die verschiedenen Punkte ab. Die Besprechungen würden täglich um 8.30 Uhr und 18.30 Uhr stattfinden. Das HOLMES-Computerteam sei seit Freitagabend bei der Arbeit. Er las die Liste mit der Überschrift Ermittlungsstrategien vor, zu der auch der Punkt Kommunikation/Medien gehörte und die Wichtigkeit der Pressearbeit betonte. Der Fall sollte in der nächsten Folge der Fernsehsendung Crimewatch vorgestellt werden, was sich schwierig gestalten würde, da er nicht sensationell genug sei. Dann übergab er an sein Team und bat Emma-Jane Boutwood, zu beginnen.
Die junge Polizistin holte eine Liste aller Personen hervor, die während des fraglichen Zeitraums in der Grafschaft Sussex vermisst worden waren. Bisher gab es keine positiven Ergebnisse. Grace wies sie an, die Suche auf die landesweiten Vermisstenakten auszudehnen.
Nick Nicholas berichtete, man habe DNA-Proben der Haare und eine Knochenprobe aus dem Oberschenkel an das Labor in Huntingdon geschickt.
Bella Moy erklärte, sie habe sich mit dem leitenden Ingenieur der Stadt getroffen. »Er hat mir die Pläne des Abwassersystems gezeigt, und ich suche jetzt nach möglichen Zutrittsstellen weiter oben im Kanalsystem. Damit müsste ich irgendwann morgen fertig sein.«
»Gut«, sagte Grace.
»Eine Sache könnte von Bedeutung sein«, fügte Bella hinzu. »Der Auslass des Abwassersystems befindet sich soweit im Meer, dass sämtliche Abwässer durch die Strömung vom Land weggeschwemmt werden.«
Grace nickte. Er ahnte, worauf sie hinauswollte.
»Möglicherweise war dem Mörder dies bekannt. Er könnte beispielsweise Ingenieur sein.«
Grace bedankte sich und wandte sich an Norman Potting. Er fragte sich, weshalb der Detective Sergeant so zufrieden aussah.
Potting holte einige Röntgenbilder aus einem Umschlag und hielt sie triumphierend in die Höhe. »Es gibt eine Übereinstimmung in den zahnärztlichen Unterlagen!«
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Er genoss die ungeteilte Aufmerksamkeit der Kollegen.
»Ich habe sie von einem der Zahnärzte auf Ihrer Liste, Roy. Die Frau hat so einiges von ihrem Zahnarzt machen lassen. Ihr Name ist, oder war, Joanna Wilson.«
»Gute Arbeit«, lobte Grace. »Alleinstehend oder verheiratet?«
»Nun, ich habe gute und schlechte Neuigkeiten«, erklärte Potting und grinste dämlich.
»Wir sind ganz Ohr«, sagte Grace auffordernd.
»Sie war verheiratet. Eine stürmische Beziehung, sagte jedenfalls der Zahnarzt Mr Gebbie, der die Hintergründe kennt. Mehr dazu erfahre ich morgen. Sie war Schauspielerin. Sie und ihr Mann haben sich wohl getrennt, und sie hat das Land verlassen. Anscheinend wollte sie in Los Angeles Karriere machen. Das hat der Ehemann jedenfalls damals überall herumerzählt.«
»Hört sich an, als sollten wir mal ein Wort mit dem Ehemann reden«, sagte Grace.
»Das wird ein bisschen schwierig«, erwiderte Norman Potting. Er nickte nachdenklich und sah aus, als trüge er die ganze Last der Welt auf seinen Schultern. »Er starb am 11. September. Beim Anschlag auf das World Trade Center.«
46
OKTOBER 2007 Um Viertel vor sieben begann Abby sich allmählich Sorgen zu machen, ob der Kurierdienst sie wohl vergessen hatte. Sie wartete schon seit halb sechs, den gepackten Koffer neben der Tür, den Mantel darüber gebreitet, den wattierten Umschlag adressiert und zugeklebt.
Draußen war es vollkommen dunkel, durch den strömenden Regen war kaum etwas zu erkennen. Sie hielt Ausschau nach dem Lieferwagen von Global Express und holte zum x-ten Mal das Pfefferspray aus der Hosentasche, um die Dose zu überprüfen.
Der
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