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So gut wie tot

Titel: So gut wie tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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unterschiedlichsten Altersstufen zu sehen. An dem Ehrenplatz über dem Kaminsims hing ein Hochzeitsfoto von Roy Grace und Sandy. Sie trug ein langes weißes Kleid und hielt einen Blumenstrauß in der Hand; Grace, das Haar deutlich länger als heute, war in einen dunkelgrauen Anzug mit silberner Krawatte gekleidet.
    Mr Balkwill war ein großer, breitschultriger Mann, der wohl einmal sehr gut gebaut gewesen war, bevor er sich hatte gehen lassen. Der dünne graue Haarkranz war nach hinten gekämmt, und das Doppelkinn verschwand in einem bunten Rollkragenpullover, der vom Stil her dem seiner Frau glich. Vielleicht hatte sie beide selbst gestrickt. Er stand mit hängenden Schultern auf wie jemand, dem das Leben übel mitgespielt hat, und trat vor den Tisch. Unter dem Pullover, der ihm fast bis zu den Knien reichte, schauten eine ausgebeulte graue Hose und schwarze Sandalen hervor.
    Eine übergewichtige Tigerkatze, die ähnlich alt wirkte wie ihre Besitzer, kroch unter dem Tisch hervor, warf einen Blick auf Pewe, machte einen Buckel und strich aus dem Zimmer.
    »Derek Balkwill«, sagte der Mann mit leiser, beinahe schüchterner Stimme, die gar nicht zu seinem massigen Körper passte. Er streckte seine große Hand aus. Sein Griff war geradezu schmerzhaft.
    »Detective Superintendent Pewe«, stöhnte dieser. »Ich wollte fragen, ob ich mit Ihnen und Ihrer Frau über Sandy sprechen kann.«
    Der Mann erstarrte. Sein ohnehin blasses Gesicht erbleichte, und Pewe bemerkte ein leichtes Zittern der Hände. Einen entsetzlichen Moment lang befürchtete er, der Mann werde einen Herzinfarkt erleiden.
    »Ich stelle nur den Ofen aus«, sagte Margot Balkwill. »Möchten Sie einen Tee?«
    »Sehr gern«, sagte Pewe. »Mit Zitrone, wenn’s geht.«
    »Sind Sie ein Kollege von Roy?«, fragte sie.
    »Ja, sicher.« Er behielt ihren Mann besorgt im Auge.
    »Wie geht es ihm?«
    »Bestens. Er ermittelt gerade in einem Mordfall.«
    »Er hat immer viel zu tun«, sagte Derek Balkwill, der sich ein wenig zu beruhigen schien. »Er ist ein fleißiger Mann.«
    Margot Balkwill eilte aus dem Zimmer.
    Derek deutete auf das Flugzeug. »Lancaster.«
    »Zweiter Weltkrieg?«, erkundigte sich Pewe, als hätte er Ahnung davon.
    »Oben habe ich noch mehr.«
    »Ach ja?«
    Der Mann lächelte schüchtern. »Eine Mustang P45. Eine Spitfire. Eine Hurricane. Mosquito. Wellington.«
    Dann herrschte unbehagliches Schweigen. Im Fernsehen diskutierten zwei Frauen über ein Hochzeitskleid. Wieder deutete Derek auf die Lancaster. »Mein Dad hat sie geflogen. Fünfundsiebzig Einsätze. Kennen Sie die Dambuster? Sie haben Angriffe auf die deutschen Talsperren geflogen. Kennen Sie den Film?«
    Pewe nickte.
    »Er war dabei. Einer von denen, die zurückkamen. Einer der wenigen.«
    »War er Pilot?«
    »Nein, Heckschütze. Sie nannten ihn Tail End Charlie.«
    »Ein tapferer Mann«, bemerkte Pewe höflich.
    »Nicht unbedingt. Hat nur seine Pflicht getan. Nach dem Krieg war er verbittert.« Dann fügte er hinzu: »Der Krieg macht einen ganz schön fertig.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    Derek Balkwill schüttelte den Kopf. »Nein. Das kann sich niemand vorstellen, der nicht selbst dabei war. Sind Sie schon lange bei der Polizei?«
    »Im Januar neunzehn Jahre.«
    »Genau wie Roy.«
     
    *
     
    Als seine Frau mit einem Tablett zurückkehrte, auf dem Teetassen und Kekse standen, schaltete Balkwill den Ton des Fernsehers ab, ließ die Bilder aber weiterlaufen. Pewe setzte sich in einen Sessel, das Ehepaar gegenüber auf die Couch.
    Pewe nahm die Tasse in seine manikürten Hände, blies auf den Tee, trank und stellte sie wieder ab. »Ich wurde kürzlich von der Met in London zur Kripo Sussex versetzt. Meine Aufgabe ist es, ungelöste Fälle zu überprüfen. Ich weiß nicht, wie ich es taktvoll ausdrücken soll, aber bei der Durchsicht der Vermisstenfälle bin ich zu dem Schluss gelangt, dass das Verschwinden Ihrer Tochter nicht ausreichend untersucht wurde.«
    Er lehnte sich zurück und breitete die Arme aus. »Damit will ich sagen – ohne Roy irgendeinen Vorwurf zu machen …« Er zögerte, bis beide auffordernd nickten. »Als neutraler Außenseiter habe ich den Eindruck gewonnen, dass Roy Grace gefühlsmäßig viel zu involviert ist, um die ursprüngliche Ermittlung angemessen beurteilen zu können.« Er trank noch einen Schluck Tee. »Daher wüsste ich gern, wie Sie das sehen.«
    »Weiß Roy, dass Sie hier sind?«, erkundigte sich Derek Balkwill. »Ich führe unabhängige

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