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So gut wie tot

Titel: So gut wie tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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gekleideter Russe freundlich empfing. Der Mann war höchstens dreißig und wäre auch als Banker oder Rechtsanwalt durchgegangen.
    Für fünftausend Dollar, die Hälfte zahlbar im Voraus, würde er Ronnie den Pass und das gewünschte Visum anfertigen. Danach blieben noch dreitausend Dollar übrig. Wenn er sparsam lebte, würde er eine Weile damit auskommen. Hoffentlich erholte sich der Briefmarkenmarkt bald. Die Aktien in aller Welt befanden sich noch immer im freien Fall.
    Doch wenn sein Plan gelang, erwarteten ihn noch ganz andere Reichtümer.
    Ein Stück weiter war die Straße abgesperrt. Zwei junge Soldaten ließen nur die Einsatzfahrzeuge durch. Sie trugen staubige Kampfkleidung und GI-Helme und hielten die Maschinengewehre im Anschlag, als wollten sie persönlich in den soeben erklärten Krieg gegen den Terror eingreifen.
    Eine Gruppe Touristen, darunter einige japanische Teenager, stand glotzend da und fotografierte alles, was ihnen vor die Linse kam – staubbedeckte Schaufenster, Papier und Asche, die stellenweise knöchelhoch die Straße bedeckten. Alles schien noch grauer als am Dienstag, nur die Gespenster ähnelten wieder Menschen. Menschen unter Schock.
    Eine Frau mit filzigem braunem Haar und tränenverschmiertem Gesicht, die nur einen Kittel und Flip-Flops trug, bewegte sich durch die Menge und hielt ein Foto in die Höhe, das einen gut aussehenden Mann in Hemd und Krawatte zeigte. Sie hielt jedem wortlos das Foto hin und schaute die Umstehenden flehend an. Hoffte auf einen Hinweis. Klar, an den kann ich mich erinnern, hab ihn gesehen, es ging ihm gut, er wollte gerade …
    Bevor Ronnie die Straßensperre erreichte, entdeckte er zu seiner Linken ein Brett, an das Dutzende Fotos geklebt waren, meist Nahaufnahmen, einige mit der amerikanischen Flagge als Hintergrund. Die Fotos waren mit Klarsichtfolie überzogen, um sie vor dem Regen zu schützen, und alle trugen einen Namen und handschriftliche Nachrichten, meist: HABEN SIE DIESE PERSON GESEHEN?
    »Tut mir leid, Sir, Sie können hier nicht weiter.« Die Stimme klang höflich, aber entschieden.
    »Ich wollte mich als freiwilliger Helfer melden«, sagte Ronnie mit amerikanischem Akzent. »Um die Trümmer aufzuräumen.« Er schaute die Soldaten fragend an und warf einen unbehaglichen Blick auf die Waffen. Dann fügte er mit erstickter Stimme hinzu: »Ich hatte Angehörige im Südturm.«
    »Wie so viele New Yorker, Kumpel«, bemerkte der ältere Soldat und bedachte Ronnie mit einem hilflosen Lächeln.
    Ein Bagger und ein Bulldozer rumpelten durch die Sperre.
    Der ältere Soldat deutete die Straße hinunter. »Erst links, dann wieder die erste links, bis zu den Zelten. Da bekommen Sie Ausrüstung und Anweisungen. Viel Glück.«
    »Ihnen auch«, erwiderte Ronnie.
    Er bückte sich unter der Sperre hindurch, und nach ein paar Schritten breitete sich das ganze Panorama der Zerstörung vor ihm aus. Es erinnerte ihn an Fotos von Hiroshima.
    Er ging nach links, bis der Hudson River vor ihm auftauchte. Am Ufer war ein ganzes Zeltlager emporgewachsen, gleich neben einem gewaltigen Trümmerfeld.
    Ronnie kam an einem Geländewagen vorbei, der auf dem Dach lag. Daneben auf dem Boden eine zerfetzte Feuerwehrjacke, gelbe Streifen auf grauem Stoff. Ein Ärmel war abgerissen, er lag ein Stück weiter auf dem Boden. Ein Feuerwehrmann in staubigem blauem T-Shirt hatte den Kopf in die Hand gestützt, hielt in der anderen eine Wasserflasche und sah aus, als wäre er am Ende seiner Kräfte.
    Als die Hubschrauber kurzzeitig verstummten, hörte Ronnie andere Geräusche: Hubgeräte, Schneidwerkzeuge, Bohrer, Bulldozer und das Klingeln unzähliger Handys. Eine Menschenschlange, viele in Uniform und Helm, stand vor den Zelten an. Andere warteten an improvisierten Essensausgaben. Hier roch es auch anders, nach Hähnchen und Burgern.
    Wie betäubt fand Ronnie sich plötzlich in einer Schlange wieder und gelangte an einen Stand, an dem man ihm eine Wasserflasche reichte. Danach erhielt er eine Gesichtsmaske. In einem Zelt gab ihm ein langhaariger Typ, der wie ein übrig gebliebener Hippie aussah, einen blauen Helm, eine Taschenlampe und Ersatzbatterien.
    Ronnie stopfte die Baseballkappe in die Tasche, setzte Gesichtsmaske und Helm auf. Am nächsten Stand lehnte er Socken, Unterwäsche und Arbeitsstiefel ab und reihte sich wieder in die Schlange, die bis zum geschwärzten Gerippe eines Gebäudes reichte. Ein Polizist mit Helm und staubiger schusssicherer Weste steuerte einen grünen

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