So gut wie tot
Renault-Händler. Ricky fluchte, weil er um ein Haar eine Abzweigung verpasst hätte, bremste scharf und riss das Steuer herum, dass die Reifen quietschten. Viel zu schnell fuhr er einen steilen Hang hinunter und bremste ganz knapp vor einem riesigen Volvo mit einer winzigen Frau am Steuer, die unvermittelt von einem Parkplatz heruntergefahren war.
»Blöde Kuh«, rief er, worauf ihm die Frau einen Vogel zeigte. Einen Augenblick lang hoffte Abby, er werde aussteigen und einen Streit vom Zaun brechen.
Aber nein, der Volvo donnerte davon, und sie fuhren weiter. Dann bog Ricky in eine Einfahrt mit massiven Stahltoren und großen Hinweisschildern auf Videoüberwachung. Auf dem Hof parkten mehrere gepanzerte Geldtransporter, die schwarz lackiert waren und in goldenen Buchstaben die Aufschrift SOUTHERN DEPOSIT SECURITY trugen.
Ricky hielt auf dem Besucherparkplatz vor einem einstöckigen, modernen Gebäude mit Fenstern, die an Schießscharten erinnerten. Es sah aus wie eine Festung.
Er wandte sich an Abby. »Keine krummen Dinger, sonst ist deine Mutter tot. Kapiert?«
»Ja«, stieß sie mit erstickter Stimme hervor.
Sie dachte Fieberhaft nach. Wollte sich einen Plan zurechtlegen. Die nächsten Minuten im Geiste durchgehen. Sich auf ihre Stärken besinnen.
Solange sie etwas besaß, das er haben wollte, würde er mit ihr verhandeln müssen, selbst wenn er den starken Mann markierte. Nur deshalb war sie noch am Leben, soviel stand fest. Mit etwas Glück würde es auch das Leben ihrer Mutter retten.
Sie hatte einen Plan, der aber nicht richtig durchdacht war, und als sie nun ausstieg, löste sich alles in Wohlgefallen auf. Ihre Beine gaben nach, sie zitterte vor Angst und musste sich am Wagen festhalten. Fürchtete, sich zu erbrechen.
Nach einigen Minuten hatte sie sich erholt. Ricky ergriff ihren Arm und führte sie zum Eingang, äußerlich ein Paar, das etwas deponieren, abholen oder einfach einen Blick auf das Familiensilber werfen wollte. Doch als sie ihn von der Seite anschaute, überkam sie Widerwille. Sie musste daran denken, was sie alles mit ihm gemacht, wie sehr sie sich erniedrigt hatte.
Sie klingelte, von zwei Überwachungskameras beobachtet, und nannte ihren Namen. Kurz darauf öffnete sich die Tür mit einem Klicken, und sie gelangten durch zwei Sicherheitstüren in eine kahle Eingangshalle, die wie aus Granit gehauen aussah.
Zwei bullige Sicherheitsleute warteten mit ernster Miene unmittelbar hinter der Tür, zwei weitere hinter der Theke, die mit einer Glasscheibe gesichert war. Abby ging hin und sprach durch ein Mikrofon in der Trennscheibe, wobei sie sich fragte, ob sie ihnen mit den Augen ein Zeichen geben sollte. Lieber nicht.
»Katherine Jennings«, sagte sie mit unsicherer Stimme. »Ich möchte an mein Schließfach.«
Ein Sicherheitsmann schob ein Formular unter der Scheibe hindurch. »Füllen Sie das bitte aus. Gehen Sie beide hinein?«
»Ja.«
»Dann müssen Sie sich beide eintragen.«
Abby trug Namen, Datum und Uhrzeit ein und schob Ricky das Formular hinüber, der es ihr gleichtat. Dann gab er es zurück, und der Wachmann tippte etwas in einen Computer ein. Kurz darauf reichte er ihnen ausgedruckte Namensschilder in einer Plastikhülle, die sie mit einem Clip befestigen konnten.
»Wissen Sie, was Sie zu tun haben?«, fragte er Abby.
Sie nickte und begab sich zu der Sicherheitstür rechts von der Theke. Dann hielt sie ihr rechtes Auge vor den Scanner und drückte den grünen Knopf.
Das Schloss öffnete sich. Sie stieß die schwere Tür auf und ließ Ricky eintreten. Vor ihnen befand sich eine Betontreppe. Sie stieg hinunter, wobei sie seine Schritte unmittelbar hinter sich hörte. Am Ende der Treppe befand sich eine massive Stahltür mit einem zweiten biometrischen Scanner. Wieder hielt sie das rechte Auge davor und drückte den grünen Knopf. Ein scharfes Klicken, und die Tür ließ sich öffnen.
Sie betraten ein lang gestrecktes, schmales Gewölbe, in dem eisige Kälte herrschte. Es war etwa dreißig Meter lang und sechs Meter breit und an beiden Seiten und dem Kopfende vom Boden bis zur Decke mit nummerierten Schließfächern versehen.
Die auf der rechten Seite waren fünfzehn Zentimeter tief, die auf der linken sechzig Zentimeter und die am Ende knappe zwei Meter hoch. Wie schon beim letzten Besuch fragte Abby sich, was wohl darin sein mochte und welche legal oder illegal erworbenen Schätze sich hinter all den Türen verbargen.
Ricky hielt den Schlüssel in der Hand und
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