So heiß wie der Wuestenwind
nachdenken. Das zählte nicht, nur eines war wichtig: dass sie seine Braut war. Egal warum oder für wie lange. Und er würde sie nehmen. Er würde sich mit ihrem Körper vergnügen, bis er genug von ihr hatte. Er würde sich der Macht, die sie über ihn hatte, so lange hingeben, bis sie verflogen war.
Dann wäre er vielleicht wieder frei.
Ja, genauso würde er es machen. Endlich konnte er wieder klar denken.
Aliyah stolperte fast.
Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass Kamal sie zum Palast zurückzerren und sie zwingen würde, das schwarze, etwas gewagte Hochzeitskleid wieder auszuziehen. Doch als sie bei den Gärten angekommen war, hatte es nur geheißen, sie solle wie verabredet die Zaffah absolvieren.
Jetzt stand er dort, wie ein rächender Engel aus den orientalischen Märchen, schwarz gekleidet, geheimnisvoll, bedrohlich. Und sie liebte ihn noch immer, trotz aller Erfahrungen, die sie mit ihm gemacht hatte.
Gleich würde er ihr Ehemann werden, und in diesem Moment würde auch die Uhr zu ticken beginnen, die die Zeit der Ehe begrenzte. Das war doch eigentlich genug Grund, ihn nicht mehr zu lieben.
Er blieb auf der anderen Seite der Schwelle stehen, die sie als Zeichen für den Übertritt in das Eheleben überschreiten musste. Seine Augen waren auf sie gerichtet.
Plötzlich streckte er einladend die Hand aus.
Aber es war nicht diese Geste, die sie so überraschte, während sie die traditionellen Lobgesänge auf Bräutigam und Braut kaum wahrnahm.
Es war sein Lächeln. Das Lächeln eines Raubtiers. Eines Raubtiers, das nicht aufs Töten aus war, sondern auf die Jagd – und auf eine leidenschaftliche Paarung.
Jetzt hatte sie ihn erreicht und ergriff die Hand, die er ihr entgegenstreckte.
Gemeinsam schritten sie durch die Gartenanlage, die Carmen in einen Traum aus Tausendundeiner Nacht verwandelt hatte. Tausend Blitzlichter flammten auf.
Laternen im arabischen Stil hingen in den Bäumen und beleuchteten die prachtvolle Szenerie. Sie gingen auf das Gelände zu, in dem die Zeremonie stattfinden sollte.
Ihre Blicke waren überall, nur den Mann neben sich wagte sie nicht anzusehen. Dafür sah sie die Fotografen, die umherhuschten und ihre Fotos schossen, den bühnenartigen Aufbau, um den herum die zahlreichen Tische für die Gäste aufgestellt waren. Das Podest war über und über mit Rosenblättern bestreut. In der Mitte stand ein Tisch, zu beiden Seiten mit thronähnlichen Stühlen flankiert, und am Kopfende wartete schon der Ma’zoon , der Geistliche, der sie trauen sollte.
Kamal hob die Hand, und die Musik hörte sofort auf.
Vorsichtig setzte sie einen Schritt vor den anderen. In ihrer Aufregung nahm sie kaum wahr, dass sie an Hunderten von Gästen vorbeischritt. Faruq und Shehab folgten dem Paar. Als sie das Podest betreten hatten, bedeutete Kamal ihr, sie solle sich auf einen der Stühle setzen. Dann nahm auch er Platz.
„Aliyah, e’teeni yadek .“
Er legte seinen Arm auf den Tisch und sah sie auffordernd an.
„Machen wir jetzt Armdrücken?“
Als sie Faruqs und Shehabs Lachen hörte, wurde ihr bewusst, dass sie das laut gesagt hatte. Kamal lächelte, ergriff ihre schweißnasse Hand und murmelte, sodass nur sie es hören konnte: „Später.“
Nun trat der Ma’zoon an den Tisch, gefolgt von Faruq und Shehab, die als Trauzeugen fungierten.
Kamal zog ein weißes Seidentaschentuch hervor, auf dem das Familienwappen der Al Masuds eingestickt war, und überreichte es dem Ma’zoon . Der legte es über Kamals und Aliyahs Hände, bedeckte es dann mit seiner Hand und begann mit dem Aufsagen der Hochzeitsschwüre, die beide nachsprechen mussten.
Als der Geistliche sie als Al bekr ar-rusheed bezeichnete, als die jungfräuliche Braut, zog sie fast die Hand weg. Aber Kamal hielt sie fest, als ob er diese Reaktion schon erwartet hätte, und flüsterte: „Ganz ruhig.“
Unter dem Taschentuch krallte sie ihre Fingernägel in seine Hand. Da hast du dein „ganz ruhig“, dachte sie. Er aber biss sich nur auf die Lippen und wirkte, als ob ihm das Ganze Spaß machte. Sein amüsierter Blick verzauberte sie.
Was war nur mit ihr los? Spielten ihre Gefühle völlig verrückt? So unglaublich es klang, selbst in dieser Situation erregte er sie.
Der Ma’zoon bekam von dem kleinen Machtkampf unter dem Taschentuch nichts mit. Er leierte einfach die Schwüre herunter wie wahrscheinlich schon Hunderte Male zuvor. Widerwillig sprach sie sie nach. Es waren keine romantischen Liebesschwüre, sondern eher
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