So heiß wie der Wuestenwind
rechts und links des Thrones auf, dann ging er gemessenen Schrittes die Stufen zum Thron hinauf und nahm Platz.
In diesem Moment erblickte er Aliyah.
Er hatte sich gut unter Kontrolle, und sie war sicher, dass nur sie es bemerkte – aber er war völlig verblüfft. Mehr noch, er war entsetzt. Aber warum? Weil sie hier war? Oder weil ihm das Hochzeitskleid nicht gefiel, das sie ausgesucht hatte? Oder beides?
Na ja, er würde es hinnehmen müssen. Seine Liste hatte sie ja brav abgearbeitet. Aber ihre Gehorsamkeit ging nicht so weit, dass sie sich dieses Spektakel entgehen ließ, nur weil ihm ihre Anwesenheit vielleicht nicht passte. Und was das Hochzeitskleid anging, hatte sie sich etwas Gewagteres ausgesucht, kein so züchtiges Kleid, wie es einer jungfräulichen Braut angemessen gewesen wäre.
Aber sie war ja auch keine jungfräuliche Braut. Ihre Unschuld hatte sie schon vor Jahren verloren, in seinen Armen.
6. KAPITEL
Kamal gelang es nur mit Mühe, die Fassung zu bewahren.
Das brachte nur Aliyah fertig. Nur sie schaffte es, Reaktionen in ihm auszulösen, die er nicht unter Kontrolle hatte. Nur sie.
Er hatte in jeder Sekunde des Rituals ihre Anwesenheit gespürt. Immer wieder hatte er sich gesagt, dass er sich das nur einbildete, dass sein Gefühl ihn täuschte.
Aber sie war da. Sie stand ganz hinten, im Halbdunkel des Eingangsbereichs. Und trotzdem sah er nur sie.
Sie hatte die ganze Zeremonie mit angesehen, er wusste es. Damit hatte sie gegen alle Regeln, alle Traditionen verstoßen. Sie war die erste Königin – zukünftige Königin –, die die Joloos ihres Königs miterlebte.
Und das war nicht ihre einzige Dreistigkeit.
Schwarz.
Sie trug ein schwarzes Kleid.
Dabei waren seine Anweisungen eindeutig gewesen. Kein Weiß, denn das war in Judar die Farbe der Trauer, sondern ein pastellfarbenes Kleid. Um die Unschuld zu symbolisieren. In Judar hatte eine Braut ihrem Bräutigam unschuldig gegenüberzutreten. Das galt umso mehr, wenn er der König war.
Aber nein, sie wagte es, Schwarz zu tragen. Die Farbe der Macht.
In Judar und den angrenzenden Ländern würden die Menschen diese Botschaft verstehen. Und im Rest der Welt – Berichte über die Hochzeit würden in vielen Nachrichtensendungen laufen – würde man denken, dass sie trauernd in die Ehe ging, dass sie gar nicht freiwillig heiratete.
Ihr waren wahrscheinlich beide Interpretationen recht.
Wut stieg in ihm hoch.
Sie tat es wieder. Sie mischte sich ein, kompromittierte ihn, und das auch noch während des wichtigsten Moments in seinem Leben.
Nein, er würde nicht zulassen, dass sie mit diesem Kleid ihn und ihr Image als Königin beschmutzte. Er würde sie zurück in die Gemächer bringen lassen und dafür sorgen, dass sie ein anderes Kleid anzog. Am besten machte er es sogar selbst, wenn er hier wegkam: ihr das Kleid vom sündigen Körper reißen und ein anderes aussuchen, egal in welcher Farbe.
Doch plötzlich kam ihm eine Erkenntnis, und er beruhigte sich: Es war doch nicht wie früher. Sie hatte seine Joloos ja nicht gestört, sie hatte sie nur heimlich aus der hintersten Ecke angeschaut. Das hatte es zwar noch nie gegeben, trotzdem war das nicht das Verhalten einer Frau, der die Konsequenzen ihres Tuns völlig gleichgültig waren. Also warum hatte sie es getan?
Wollte sie diesen wichtigen Moment in seinem Leben, in der Geschichte Judars, miterleben? Aber wenn ja, warum? Eigentlich bedeuteten Judar und er ihr doch überhaupt nichts. Oder vielleicht doch? Bedeutete er ihr etwas?
Was auch immer die Antwort darauf war – noch etwas war anders. Was sie vor sieben Jahren getan hatte, war nicht aus einer Protesthaltung heraus geschehen, sondern um von ihm beachtet zu werden. Doch dieses Kleid – das war geradezu eine Kampfansage.
Und, Ullah yel’anoh , er fand es toll.
Genau das wollte er. Eine gleichberechtigte Partnerin, eine Löwin. Eine, die kämpferisch war und sich nicht unterkriegen ließ. Eine Frau, bei der er immer wachsam bleiben musste, wenn er die Oberhand behalten wollte.
Er konnte sich sie jetzt nur in Schwarz vorstellen. Nichts schmeichelte ihr mehr, nichts passte besser zu ihr.
Nein, es sollte so bleiben, wie sie es sich ausgesucht hatte. Was scherte es ihn, was andere dachten? Das zählte nicht für ihn. Was zählte, das wurde ihm jetzt klar, war diese Person, die dort hinten stand, so weit entfernt, dass sie ganz klein wirkte.
Am liebsten wäre er jetzt aufgesprungen, hätte sich den Weg durch die Menge gebahnt,
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