So heiß wie der Wuestenwind
herkamen. Beweise für einen zweifelhaften Lebenswandel gab es jedenfalls nicht. Und ihm blieb nichts anderes, als sich für seine Analysen an ihre Gemälde zu halten. Als er das erste Mal eines ihrer Bilder sah, hätte er fast geweint, so stark war die Verzweiflung, die es ausdrückte.
Wahrscheinlich hatte sie all ihre Qualen in diesen Bildern verarbeitet und war gestärkt und geheilt aus dem Schaffensprozess hervorgegangen. Auch jetzt, als seine Frau und Königin, als die beste Partnerin, die er sich wünschen konnte, malte sie immer noch. Aber es waren ganz andere Bilder. Keine Spur mehr von Sucht und Verzweiflung – jetzt strahlten die Gemälde Stabilität und Gelassenheit aus. Und ihr unglaubliches Talent raubte ihm immer noch den Atem.
Er sah auf die Uhr. Es war an der Zeit, kurz bei Aliyah im Atelier vorbeizuschauen. Er liebte es, ihr beim Malen zuzusehen, und heute hatte er Zeit dazu. Schnell stellte er das neue Bild zu den anderen und schloss das Zimmer ab.
Als er ein paar Minuten später das Atelier betrat, stand Aliyah bereits an der Staffelei, hatte aber noch nicht mit dem Malen begonnen. Wie immer trug sie ihren alten fleckigen Malerkittel, von dem sie sich einfach nicht trennen konnte.
Es erregte ihn schon, sie nur zu sehen. Weil sie mit dem Rücken zur Tür stand und über Kopfhörer Musik hörte – sicher mal wieder Mozart, dachte er –, hatte sie ihn noch nicht bemerkt.
Während er sich näher heranschlich, sortierte sie noch ihre Farben und Pinsel und zog dann die Schutzdecke von ihrem neuesten Werk. Ihm blieb fast das Herz stehen.
Das Bild zeigte ihn! Ja, sie malte ein Porträt von ihm – und nicht nach einem Foto, sondern aus dem Gedächtnis. Das war eindeutig, denn ein derartiges Foto von ihm existierte gar nicht. Aus dieser Perspektive hatte er sich noch nie gesehen.
Das Gemälde stellte ihn aus ihrem Blickwinkel dar, wie er auf ihr lag, vom Vollmond beschienen, sein Gesicht im Liebesrausch.
Fast traten ihm die Tränen in die Augen, so gerührt war er. So etwas hatte noch niemand für ihn getan. Es war fast unglaublich, wie lebensecht das Bild wirkte, aber sie hatte nicht nur seine Äußerlichkeiten perfekt wiedergegeben, sondern auch seine Seele auf die Leinwand gebannt. Und dass sie ihn gerade in dem innigen Moment ihrer Vereinigung darstellte, zeigte, wie viel ihr das bedeutete.
Sie war so wunderbar.
Am liebsten wäre er auf sie zugestürmt und hätte sie umarmt. Stattdessen schlich er sich leise wieder hinaus. Vielleicht wollte sie dieses Bild jetzt noch nicht mit ihm teilen – vielleicht sogar niemals. Auf jeden Fall wollte er nicht in ihre Intimsphäre eindringen. Andererseits musste er sie jetzt berühren, liebkosen …
Gerade hatte er die Tür von außen wieder geschlossen, als er ihre Stimme hörte. „Kamal?“
Sie schien ihn geradezu gespürt zu haben.
Er öffnete die Tür einen Spaltbreit. „Darf ich reinkommen?“
„ Galalet El Mallek Kamal Al Masud bittet in seinem eigenen Palast darum, eintreten zu dürfen? Haltet die Druckerpressen an! Das muss in die Zeitung!“
Während sie sprach, bedeckte sie das Gemälde wieder. Also sollte er es wirklich noch nicht sehen; ihre anderen Werke hatte sie ihm immer ganz offen gezeigt. Vielleicht wollte sie ihn damit überraschen, wenn es fertig war. Ja, das musste es sein.
Betont gelassen trat er ein. „Warte erst mal ab, bis du mir den Zutritt verwehrst – und ich dir gehorche. Dann können sie eine Extraausgabe herausbringen.“
„Ich habe doch noch gar nicht gesagt, dass du reinkommen darfst“, merkte sie scherzhaft an.
„Jetzt bin ich schon drin. Willst du mich wieder rauswerfen? Es könnte aber sein, dass ich heftigen Widerstand leiste.“
„Ein kleiner Ringkampf wäre jetzt doch gar nicht schlecht“, konterte sie zweideutig. Er nahm das als Aufforderung, sie zu umarmen und stürmisch zu küssen. Während sie an seinem Jackett zerrte, um es ihm auszuziehen, flüsterte sie: „Ich habe aber nicht viel Zeit, ich bekomme in zehn Minuten noch Besuch …“
„In zehn Minuten kann man so einiges anstellen“, erwiderte er und nestelte an ihrem Malerkittel.
„Oje, ist mir das peinlich, Entschuldigung“, ertönte plötzlich eine Stimme. Anna und Farah standen in der Tür. „Wir sind wohl ein bisschen früh dran.“
Innerlich schäumte Kamal vor Wut. Trotzdem begrüßte er die beiden Frauen betont freundlich: „ Sabah’el khair .“
„ Sabah’el khair , König Kamal.“ Anna war rot geworden und versuchte
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