So hoch wie der Himmel
Besuch in dem Fitness-Studio lediglich als momentanen Ausweg. Aber die anderen unterwarfen sich diesem anstrengenden Programm bewußt.
Vielleicht waren sie alle leicht verrückt.
Nun … handelte es sich hier nicht um genau den Kundenkreis, den sie brauchte, damit ihr Geschäft florierte? Die Geschäftsleute, die cleveren Reichen, die Frauen, die sich hier in Radlerhosen für hundert Dollar und Schuhen für hundert Dollar abstrampelten? Würde es nicht gerade ihnen gefallen, sich nach all den körperlichen Torturen etwas Gutes anzutun? Hätten nicht gerade sie Lust, nach der schwedischen Massage, dem türkischen Bad, dem Whirlpool in ein elegantes Geschäft zu gehen, sich dort gemütlich umzusehen, eine Tasse Cappuccino, ein Glas eisgekühlten Champagner zu trinken, während ihnen eine attraktive Frau bei der Auswahl des perfekten Schnickschnacks für zuhause oder eines geschmackvollen Geschenks behilflich war?
Natürlich wäre es eine Herausforderung, sie davon zu überzeugen, dass gerade die Benutzergeschichte das Interessante und Einzigartige daran war.
Sie wandte sich an ihre Nachbarin. »Machen Sie das hier jeden Tag?«
»Hmm?«
»Ich habe mich gefragt, ob Sie das jeden Tag machen.« Margo setzte ein freundliches Lächeln auf und unterzog die Frau einer diskreten Musterung. Mitte dreißig, sorgfältig frisiert. Die Diamanten an ihrem Ehering verrieten beste Qualität und hatten mindestens drei Karat. »Persönlich fange ich nämlich gerade erst damit an.«
»Dreimal die Woche. Mehr braucht man nicht, um in Form zu bleiben.« Offenbar froh über die Ablenkung sah sie Margo an. »Sie sind nicht etwa hier, weil Sie abnehmen wollen, was?«
»In den letzten drei Monaten habe ich über drei Kilo zugelegt.«
Lachend nahm die Frau das Handtuch, das über der Stange hing und betupfte sich den Hals. Margo bemerkte, dass sie eine schmale Rolex trug. »Ich wünschte, ich könnte so etwas behaupten und sähe dabei aus wie Sie. Im letzten Jahr musste ich beinahe achtzehn Kilo abspecken.«
»Das ist wohl ein Scherz!«
»Wenn ich die wieder zunehme, bringe ich mich um. Also tue ich alles, damit es gar nicht erst dazu kommt. Inzwischen habe ich wieder Kleidergröße sechsunddreißig, und darüber will ich nie mehr kommen.«
»Sie sehen klasse aus!« Größe sechsunddreißig, dachte sie, herzlich willkommen! »Machen Ihnen die Besuche hier im Fitness-Studio Spaß?«
Die Frau setzte ein grimmiges Lächeln auf, als ihr Stepper das Tempo beschleunigte. »Ich hasse es.«
»Gott sei Dank«, schloß sich Margo, deren Waden zu brennen begannen, ihr voller Inbrunst an. »Das ist der Beweis, dass hier nicht nur Verrückte sind. Mein Name ist Margo Sullivan. Ich würde Ihnen ja gerne die Hand geben, aber ich fürchte, dann falle ich von diesem Ding.«
»Judy Prentice. Margo Sullivan«, wiederholte sie. »Ich wusste doch, irgendwo habe ich Ihr Gesicht schon mal gesehen: Früher fand ich Sie widerwärtig.«
»Ach ja?«
»Als ich in Richtung Kleidergröße 44 aufging und Sie in einer Zeitschrift sah. Tolle Kurven und zugleich gertenschlank. Am liebsten hätte ich sofort diesen SOS-Drink Godiva gekippt.« Sie sah Margo grinsend an. »Es ist mir eine Genugtuung zu sehen, dass Sie schwitzen wie jeder andere normale Mensch.«
Da Margo in Judy eine potentielle Kundin witterte, grinste sie ebenfalls. »Heißt es nicht, durch die Bewegung würden Endorphine freigesetzt, die einem so etwas wie ein Glücksgefühl verschaffen?«
»Alles gelogen. Ich glaube, dieses Märchen hat Jane Fonda in die Welt gesetzt. Sie kommen hier aus der Gegend, nicht wahr?«
»Big Sur«, stieß Margo inzwischen keuchend hervor. »Und jetzt bin ich zurück. Ich habe einen Laden in Monterey. ›Der Schöne Schein‹ in der Cannery Row. Morgen findet die offizielle Eröffnung statt. Kommen Sie doch einfach mal vorbei und sehen sich bei mir um.« Sie knirschte mit den Zähnen. »Ich werde dafür sorgen, dass es Godivas gibt.«
»Sie scheinen eine gewiefte Geschäftsfrau zu sein«, stellte Judy lachend fest. »Aber vielleicht komme ich tatsächlich mal. Tja, meine zwanzig Minuten in der Hölle sind für heute um. Noch fünfzehn Minuten an den Gewichten und eine kurze Sitzung in der Nautilus-Folterkammer, dann bin ich weg.« Mit ihrem Handtuch um den Hals wandte sie sich zum Gehen. »Oh, da kommt die Diva!«
»Candy Lichfield«, murmelte Margo, als sie den Rotschopf im geblümten Einteiler sah.
»Sie kennen sie?«
»Viel zu lange für meinen
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