So kam der Mensch auf den Hund
Ruheplatz erwählt hat. Auf das Kommando »Körbchen« oder »Platz« muß sich der
Hund in den betreffenden Winkel zurückziehen und darf ihn ohne Gegenorder nicht wieder verlassen.
Nicht so leicht wie die zwei besprochenen Dressuren ist die dritte, das »Bei-Fuß-Gehen«. Gut gekonnt, macht sie die Leine
völlig überflüssig. Bei dieser Dressur, die oft wiederholt sein will, zwingt man den an der Leine geführten Hund, dicht an
der rechten oder linken – immer aber an derselben – Seite des Herrn zu gehen. Der Kopf muß dabei stets in gleicher Front mit
den Beinen des Herrn bleiben, so daß sich das Tier jeder Änderung des Gehtempos prompt anzupassen vermag. Nur sehr wenige
Hunde neigen bei dieser Übung zum Zurückbleiben, die meisten laufen gern nach vorne, was jedesmal mit einem Ruck an der Leine
oder einem kleinen Klaps auf die Nase bestraft werden soll. Auch bei allen Wendungen |34| muß der Hund dicht, »auf Tuchfühlung«, neben seinem Herrn bleiben. Dies erreicht man am besten dadurch, daß man anfangs etwas
gebückt geht, den Hund mit der einen Hand an der Leine führt und mit der anderen an sich drückt. Es bedarf allerdings großer
Geduld, bis man ein einigermaßen befriedigendes Bei-Fuß-Gehen erzielt. Auch hier sind zwei Kommandos nötig: eines, das den
Befehl gibt, und ein zweites, das den Hund von ihm entbindet. Dieses ist dem Tier am schwersten begreiflich zu machen. Es
dürfte fürs erste am zweckmäßigsten sein, mit dem bei Fuß gehenden Hunde stehenzubleiben, dann »lauf« zu sagen und zu warten,
bis er sich entfernt hat. Tut er dies, ohne das Kommando hierfür begriffen zu haben, so muß er ja glauben, die Sache sei seinem
Belieben überlassen. Jede derartige Durchbrechung schädigt aber die schon erreichte Dressur.
Da der Hund fühlt, ob er an der Leine hängt oder nicht, ist es im ersten Fall verhältnismäßig leicht zu erreichen, daß er
das Kommando befolgt; sind sie jedoch ledig, so kümmern sich viele und gerade kluge Hunde überhaupt nicht um den Befehl. Will
man nicht zu Wurfkette oder Schleuder greifen, welche Dressurmittel ich nicht liebe, bleibt nur die Möglichkeit, den Hund
an eine dünne, leichte Schnur zu nehmen, die er nicht spürt. Ein kausales Verständnis fehlt dabei dem Hund vollständig: Stasi
zum Beispiel folgte dem Kommando anfangs nur dann, wenn sie ein Halsband trug und ein Stück Leine nachschleifte, gleichgültig,
wie lang es war, ob ich es in der Hand hielt oder nicht, und auch gleichgültig, wie weit sie von mir entfernt war. Ohne nachschleppende
Leine dagegen »fühlte sie sich frei« und dachte nicht daran, dem Kommando zu gehorchen. Übrigens war es bald überflüssig geworden,
da sich Stasi in allen Situationen, welche es erheischt hätten, sozusagen selbst an die Leine legte, das heißt, musterhaft
bei Fuß ging, und zwar besonders dann, wenn äußere Reize sie lockten, verbotene Dinge zu tun. Ging ich beispielsweise durch
ein fremdes Gehöft, in dem das Erscheinen des roten Wolfes eine Panik der Haustiere auslöste und die Hündin von flatternden
Hühnern und blökenden Lämmern |35| versucht wurde, drängte sie sich unaufgefordert an mein linkes Knie und ging bei Fuß, um nicht zu erliegen. Zitternd vor Erregung,
die Nüstern weit geöffnet und die Ohren aufgerichtet, ging sie neben mir her. Man sah deutlich, wie straff die unsichtbare
Leine war, an die sie sich selbst gehängt hatte. Dieses Verhalten wäre natürlich nicht möglich gewesen, hätte die Hündin nicht
in ihrer Jugend das Bei-Fuß-Gehen gründlich und der Regel nach gelernt. Für mich liegt aber etwas besonders Schönes darin,
daß der Hund ein andressiertes Verhalten nicht sklavisch genau wiederholt, sondern es sinnvoll, beinahe wäre man versucht
zu sagen schöpferisch, abwandelt.
|36| Hundesitten
Die Verständigung zwischen den Individuen einer sozialen Tierart, der Mechanismus, der die sinnvolle Zusammenarbeit der Einzelwesen
in der übergeordneten Ganzheit der Schar oder des Rudels gewährleistet, ist völlig anderer Natur als die Wortsprache, die
bei uns Menschen all diese lebenswichtigen Leistungen vollbringt. Ich habe in meinem anderen Büchlein (›Er redete mit dem
Vieh, den Vögeln und den Fischen‹, Tiergeschichten 1 ) ausführlich darüber gesprochen. Die Bedeutung der einzelnen Signale, der verschiedenen Ausdrucksbewegungen und -laute, ist nämlich nicht durch eine individuell erworbene
Konvention festgelegt,
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