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So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Lorenz
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drängte an mir
     vorbei, lief durch den Eingang auf die Straße und hinüber an das Tor des Nachbarn, wo er wütend weiterbellte, als habe er
     es von Anfang an so »vorgehabt«. Damals
glaubte
ich ihm noch und nahm den Augenblick der Verlegenheit für einen Beobachtungsfehler meinerseits. Denn hinter jenem Tor befand
     sich tatsächlich ein feindlicher Hund, dem der Bellangriff Bullys hätte gelten können. Indessen belehrte mich die fast tägliche
     Wiederholung dieses Verhaltens, daß der Hund tatsächlich eine »Ausrede« gebrauchte, um zu verschleiern, daß er irrtümlich
     seinen Herrn angebellt hatte. Zwar wurde der Augenblick, da Bully stutzte, immer kürzer, er log sozusagen immer geläufiger
     und in dieser Hinsicht glaubhafter, aber es kam vor, daß er zuweilen an Orte geriet, wo es überhaupt nichts anzubellen gab,
     beispielsweise in eine leere Ecke des Hofes. Dort stand er dann und bellte wütend an der Mauer empor.
    |80| Man könnte das beschriebene Verhalten auch einfacher, reizphysiologisch erklären. Daß jedoch eine echte Verstandesleistung
     vorlag, ist daraus ersichtlich, daß es Bully lernte, die gleiche Lüge für einen völlig anderen Schwindel zu benützen.
    Wie allen unseren Hunden war es auch ihm Gesetz geworden, unser verschiedenes Geflügel nicht zu jagen. Dennoch ärgerte es
     ihn, wenn sich unsere Hühner an seiner Futterschüssel mit den Resten seiner Mahlzeit beschäftigten. Aber auch dann wagte er
     nicht, sie ernstlich zu jagen, oder besser gesagt, er wagte nicht einzugestehen, daß er es tat. Er stürzte grimmig bellend
     unter das Hühnervolk, das kreischend auseinanderstob, doch anstatt nun einen Vogel zu verfolgen oder gar nach ihm zu schnappen,
     rannte er bellend in der eingeschlagenen Richtung weiter. Auch dabei kam er oft an Orte, wo es durchaus nichts anzubellen
     gab. Denn so weit reichte seine Schlauheit nicht, daß er sich in kluger Voraussicht ein in der Richtung hinter den Hühnern
     gelegenes glaubhaftes Bellobjekt ausgesucht hätte.
    Anders war der Schwindel meiner Hündin Stasi. Bekanntlich sind viele Hunde nicht nur wehleidig, sondern lassen sich auch gern
     bemitleiden. Erzielen sie einen Vorteil, so lernen sie erstaunlich schnell, den mitleidigen Menschen in bestimmtem Sinne zu
     beeinflussen. Auf einer längeren Radtour in Posen hatte Stasi infolge Überanstrengung eine kleine Sehnenscheidenentzündung
     am linken Vorderlauf bekommen. Da sie beträchtlich hinkte, mußte ich, anstatt mit dem Rad zu fahren, einige Tage zu Fuß gehen.
     Auch später schonte ich sie und fuhr sofort langsam, wenn ich merkte, daß sie müde wurde oder gar zu lahmen begann. Dies hatte
     die schlaue Bestie bald durchschaut: Schon nach kurzer Zeit begann sie zu hinken, wenn ich in eine ihr unangenehme Richtung
     fuhr. Radelte ich von meiner Unterkunft zum Reservelazarett oder gar zur Ambulanz in ein anderes Krankenhaus, wo sie stundenlang
     an einer ihr unangenehmen Stelle mein Rad bewachen mußte, dann hinkte sie so erbärmlich, daß man mir auf offener Straße Vorwürfe
     machte. Fuhr |81| ich hingegen zur Militärreitschule, wo ein Ausritt ins Grüne lockte, war das Leiden weg. Am meisten durchsichtig aber war
     der Schwindel an einem dienstfreien Samstag. Morgens, also zum Dienst, konnte das arme Tier selbst bei langsamstem Tempo dem
     Rade kaum folgen; nachmittags, wenn ich in raschem Tempo die sechzehn Kilometer zum Ketscher See fuhr, lief Stasi nicht
hinter
dem Rade her, sondern sauste in scharfem Galopp auf dem ihr wohlbekannten Wege voraus. Und am Montag hinkte sie wieder.

|82| Burgfriede
    Es ist merkwürdig leicht, selbst einem scharfen und jagdgierigen Hund beizubringen, daß er im Zimmer gehaltene Tiere in Frieden
     lassen müsse. Auch hartnäckige Katzenfeinde, denen es nicht abzugewöhnen ist, Katzen im Garten, und natürlich erst recht in
     freier Wildbahn, zu jagen, denken nicht daran, innerhalb des Hauses eine Katze zu behelligen. Deshalb pflege ich schon lange
     meinen Hunden alle neu erworbenen Tiere in meinem Zimmer vorzustellen. Warum der Hund im Heim um so viel weniger raubgierig
     ist, weiß ich nicht. Feststeht, daß im Hause nur seine Jagdgier, nicht aber seine Streitlust herabgesetzt ist. Gegen einen
     fremden Hund war noch jeder meiner Hunde besonders angriffslustig und böse, wenn er sich erfrechte, in unser Zimmer einzudringen.
     An anderen Hunden habe ich Entsprechendes zu beobachten nie Gelegenheit gehabt, da ich meine Hunde grundsätzlich nicht in
    

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