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So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Lorenz
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»falsch« nennen könnte. Es gibt wenige Tiere, in deren Gesicht der
     Kundige so eindeutig die augenblickliche Stimmung lesen könnte wie in dem der Katze. Man weiß immer, woran man ist, welche
     Handlung für den nächsten Augenblick erwartet werden kann. Wie unmißverständlich ist der Ausdruck vertrauensvoller Freundlichkeit,
     wenn das Gesicht faltenlos dem Beschauer zugewandt ist, die Ohren aufgerichtet sind und die Augen offenstehen, wie unmittelbar
     drückt sich jede aufwallende, ängstliche oder feindselige Erregung in den Spannungszuständen der mimischen Muskulatur aus.
     Die Streifenzeichnung im Gesichte einer wildfarbigen Katze macht diese leisen Bewegungen der Gesichtshaut noch besonders deutlich
     und vermehrt die Ausdrucksfülle der Mimik, einer der Gründe, weshalb ich die wildfarbig getigerte Hauskatze allen anderen
     vorziehe. Ein leises Anklingen von Mißtrauen – noch lange nicht von Furcht   –, und schon sind die unschuldig runden Augen etwas länglich und schräg geworden, die Ohren haben ihre aufrechte und »zugeneigte«
     Stellung aufgegeben, und es bedürfte gar nicht der subtilen Veränderung der Körperhaltung sowie der sich hin- und herbewegenden
     Schwanzspitze, um den veränderten Seelenzustand zutage treten zu lassen.
    |76| Und wie ausdrucksvoll sind erst die Drohstellungen der Katze, wie voneinander völlig verschieden, je nachdem,
wem
sie gelten, dem befreundeten Menschen, wenn er sich zuviel »herausnimmt«, oder einem ernstlich gefürchteten Feinde; verschieden
     aber auch, je nachdem, ob die Drohung bloß defensiv gemeint ist oder ob sich die Katze dem Gegner überlegen fühlt und ihren
     Angriff ankündigt. Dies tut sie nämlich immer. Abgesehen von unverläßlichen und verrückten Psychopathen, die es unter hochgezüchteten
     Katzen ebenso gibt wie unter hochgezüchteten Hunden, kratzt oder beißt eine Katze
niemals,
ohne den Beleidiger ernst und verständlich gewarnt zu haben, ja, die allmählich stärker werdenden Drohgebärden erfahren meist
     unmittelbar vor dem Angriff noch eine ruckartige Steigerung, die gewissermaßen ein Ultimatum bedeutet: »Läßt du nicht sofort
     ab, bin ich zu meinem Bedauern genötigt, Repressalien zu ergreifen!«
    Einem Hunde, oder überhaupt einem großen, sie gefährdenden Raubtiere, droht die Katze, indem sie den bekannten Buckel macht:
     dieser sowie das am Rücken und am Schwanz gesträubte Fell (wobei der Schwanz etwas seitwärts gehalten wird) lassen das Tier
     dem Feinde größer erscheinen als es ist, zumal sich die Katze auch ein wenig breitseits zum Gegner stellt, ein Verhalten,
     das dem Imponiergehaben mancher Fische ähnelt. Die Ohren sind flach niedergelegt, die Mundwinkel nach hinten gezogen, die
     Nase ist gerunzelt. Ein leises, aber ungemein bedrohlich klingendes, metallisches Knurren steigt aus der Brust des Tieres
     empor und geht zeitweise unter gleichzeitiger Verstärkung des Nasenrunzelns in das bekannte »Spucken« über, das heißt in ein
     stoßweises Fauchen, bei dem der Rachen sehr weit aufgerissen und die Eckzähne entblößt werden. An sich ist diese Drohmimik
     zweifellos
defensiv
gemeint, man beobachtet sie am häufigsten, wenn eine Katze sich
unerwartet,
also ehe sie fliehen konnte, einem großen Hunde gegenüber sieht. Kommt dieser trotz der Warnung noch näher heran, so flieht
     die Katze nicht, sondern greift bei Überschreitung einer bestimmten »kritischen Distanz« an: Sie wirft sich dem Hunde ins
     Gesicht |77| und bearbeitet mit Krallen und Zähnen die empfindlichsten Stellen, womöglich Augen und Nase des Gegners. Prallt der Feind
     auch nur einen Augenblick zurück, so benutzt die Katze diese minimale Atempause regelmäßig zur Flucht. Der kurze Angriff ist
     also nur ein Mittel, um loszukommen.
    In
einem
Falle aber kann der
Angriff
der Katze in der Buckelstellung fortgesetzt werden, und zwar dann, wenn eine Mutter ihre Jungen von einem Hunde bedroht glaubt.
     Hierbei geht die Katze auch aus größerer Entfernung ihrem Feinde entgegen; da sie Buckel- und Breitseitsstellung beibehält,
     kommt eine höchst eigenartige Bewegungsweise zustande: Die Katze galoppiert
quer
zu ihrer Längsachse auf den Gegner zu. An einem erwachsenen Kater habe ich dieses Verhalten, ausgenommen im
Spiel,
nicht beobachtet; er kommt ja auch nie in die Lage, einen überlegenen Feind dergestalt angreifen zu müssen. Bei säugenden
     weiblichen Katzen jedoch bedeutet der Angriff in Breitseitsstellung immer den unbedingten und

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