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So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Lorenz
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Gitter mit größter Freundlichkeit behandelte, schien die Sache
     für Uneingeweihte völlig unbedenklich zu sein, doch hätte ich mich vielleicht auf ein böses Abenteuer eingelassen, hätte ich
     von den Beziehungen zwischen Käfiggitter und kritischer Distanz nichts gewußt. So lockte ich denn Stasi und den Wolf in den
     hintersten der langen Reihe von Käfigen und evakuierte hernach einige Hunde, einen Schakal und eine Hyäne. Dann |100| öffnete ich alle Zwischentüren, betrat langsam und vorsichtig den vordersten Raum und stellte mich so, daß ich durch alle
     Käfige sehen konnte. Die Tiere bemerkten mich vorerst noch nicht, da sie im Augenblick meines Eintretens abseits der Fluchtlinie
     der Verbindungstüren standen. Nach einer Weile sah zufällig der Wolf durch die Tür des hintersten Käfigs und erblickte mich.
     Und derselbe Wolf, der mich genau kannte, der durch das Gitter meine Hände geleckt und sich von ihnen hatte kraulen lassen,
     der mich schon von weitem mit freudigen Sprüngen begrüßte, wenn er mich kommen sah, dieser selbe Wolf erschrak bis ins Mark,
     als ich nun völlig ruhig in sechzehn Meter Entfernung vor ihm stand, aber
ohne
trennendes Gitter dazwischen! Er senkte die Ohren, hob die Rückenmähne zu einem bedrohlichen Kamm und verschwand blitzschnell
     mit eingekniffener Rute aus der Türöffnung. Doch im nächsten Augenblick erschien er wieder, zwar immer noch in ängstlicher
     Stellung, aber nicht mehr drohend gesträubt, sah mit schief gehaltenem Kopf nach mir und wedelte kleinschlägig mit der immer
     noch eingezogenen Rute. Ich sah taktvoll zur Seite, da der fixierende Blick Tiere, die nicht im seelischen Gleichgewicht sind,
     ängstigt. In diesem Moment mußte mich auch Stasi entdeckt haben, denn als ich vorsichtig die Fluchtlinie der Käfige entlangschielte,
     sah ich sie in gestrecktem Galopp auf mich zubrausen. Unmittelbar hinter ihr folgte – der Wolf! Ich gestehe, daß ich mich
     während des Bruchteils einer Sekunde gefürchtet habe. Ich war jedoch rasch beruhigt, als der Wolf einen tollpatschig spielenden
     Galoppsprung mit jener angedeuteten Schüttelbewegung des Kopfes machte, die Hundekennern als Aufforderung zum Spiel bekannt
     ist. So stemmte ich mich denn mit aller Kraft dem zu erwartenden freundlichen Anprall des gewaltigen Tieres entgegen; dabei
     stellte ich mich seitlich, um dem nur zu wohlbekannten fürchterlichen Tritt in den Bauch zu entgehen. Aber trotz diesen Vorkehrungen
     wurde ich krachend an die Wand geschleudert. Im übrigen war der Wolf wieder völlig vertrauensvoll und freundlich. Von der
     gewaltigen Kraft und der entsprechenden Grobheit seines Spieles |101| aber kann man sich nur eine Vorstellung machen, wenn man sich in einem Hund die Muskelhärte eines Foxterriers und das Gewicht
     einer dänischen Dogge vereinigt denkt. In diesem Spiele wurde mir klar, warum ein Wolf im Kampf einer stattlichen Meute von
     Hunden überlegen ist, zumal ich trotz aller Fußtechnik wiederholt auf dem Boden landete.
    Eine andere »Gitter-Geschichte« handelt von meinem alten Bully und seinem Feinde, einem weißen Spitz. Dieser bewohnte ein
     Haus, dessen langgestreckter und schmaler Vorgarten gegen die zur Donau führende Dorfstraße von einem grünen Lattenzaun abgegrenzt
     war. Längs dieses etwa dreißig Meter langen Zaunes pflegten die beiden Helden unter wütendem Gebell hin und her zu galoppieren,
     wobei sie an den Wendepunkten kurz anhielten und einander mit allen Gebärden und Lauten höchster Wut bedrohten und beschimpften.
     Nun geschah jedoch eines Tages etwas für beide Hunde Peinliches und Überraschendes: Der Zaun wurde gründlich überholt und
     zu diesem Zwecke teilweise fortgenommen. Die bergwärts liegenden fünfzehn Meter waren noch da, die donauwärts gelegene Hälfte
     des Zaunes fehlte. Nun kam ich mit meinem Bully vom Berge herab die Dorfstraße entlanggegangen. Der Spitz sah uns natürlich
     schon von weitem und erwartete uns knurrend und zitternd vor Erregung in der obersten Ecke des Vorgartens. Zunächst entspann
     sich, wie immer, ein stationäres Schimpfduell am oberen Ende des Zaunes, dann aber rasten beide, diesseits und jenseits der
     Latten, zu ihrem üblichen Frontgalopp los. Und nun geschah das Erschreckende: Sie rannten über die Stelle, von der ab der
     Zaun fehlte, hinaus und bemerkten sein Fehlen erst, als sie in der unteren Ecke des Gartens, also dort, wo ein neuerliches
     Schimpfduell vorgeschrieben war, hielten. Da standen nun

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