Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Lorenz
Vom Netzwerk:
Köter des Gemischtwarenhändlers am Dorfplatz (der hoffentlich nie dieses Buch lesen wird,
     ich meine den Greisler, nicht den Köter) flirtet sie kurz. Zur tiefsten Empörung Wolfs II. liebt nämlich Susi diesen gescheckten
     Mischling über alles; heute aber hat sie keine Zeit für ihn, und als er spielen will, rümpft sie die Nase und zeigt ihre blendend
     weißen Zähne, ehe sie weitertrabt, um vorschriftsgemäß verschiedene Feinde hinter verschiedenen Zäunen anzuknurren.
    Die Dorfstraße liegt noch im Schatten, und ihr harter Boden ist kalt unter meinen bloßen Füßen, aber der tiefe Staub des Auweges
     jenseits der Bahnunterführung dringt mir bereits |123| wohlig warm zwischen die Zehen. Über den Fußstapfen der vor mir trabenden Hündin steht er in kleinen Wölkchen in der ruhigen
     Luft. Grillen und Zikaden zirpen – schon!   –, und in der nahen Au singen ein Pirol und ein Mönch   – Gott sei Dank, daß sie
noch
singen, daß der Sommer noch jung ist.
    Der Weg führt über eine frischgemähte Wiese, Susi biegt vom Wege ab, denn dies ist die berühmte Mäusewiese. Ihr Trab wird
     zu einem merkwürdigen stelzbeinigen Schleichen, den Kopf trägt sie hoch, der Gesichtsausdruck verrät äußerste Spannung, der
     Schwanz senkt sich tief und gerade nach hinten gestreckt zu Boden. Susi sieht wie ein zu dick geratener Blaufuchs aus.
    Plötzlich fliegt sie in steiler Parabel vorwärts, fast einen Meter hoch und gut zwei Meter weit. Sie fällt auf steif vorgestreckte
     und eng aneinandergehaltene Vorderpfoten und beißt genau dort, wo sie auftrafen, wiederholt und blitzschnell ins kurze Gras.
     Mit hörbarem Schnaufen bohrt sich ihre spitze Nase in den Boden, dann hebt Susi Kopf und Schwanz und sieht sich wedelnd und
     verlegen lächelnd nach mir um: Die Maus ist weg! Kein Mensch wird mir einreden, daß sich Susi nicht bis zu einem gewissen
     Grade »schämt«, wenn ihr großer Mäusesprung danebengeht, und daß sie nicht stolz ist, wenn sie die Maus erwischt hat.
    Auch die nächsten vier Sprünge verfehlen ihr Ziel. Feldmäuse sind eben unglaublich rasch und geschickt. Aber jetzt – Susi
     fliegt wie ein geworfener Gummiball durch die Luft, und da ihre Pfoten wieder den Boden erreichen, ertönt ein hohes, scharfes
     Quietschen. Die Hündin beißt zu, läßt in einer schnellenden Schüttelbewegung das, was sie gefaßt hat, wieder fahren, ein kleiner
     grauer Körper saust im Bogen durch die Luft, Susi in höherem hinterher; sie schnappt dann mehrmals mit weit emporgezogenen
     Lefzen und nur mit den Schneidezähnen zufassend nach etwas Quietschendem und Zappelndem im Grase. Hernach wendet sie sich
     mir zu und zeigt mir eine stark aus der Façon geratene große fette Feldmaus, die sie im Fange trägt. Ich bewundere sie gebührend
     und versichere, daß sie ein reißendes und schreckerregendes |124| Tier sei, vor dem man Achtung haben müsse. Die Maus tut mir sehr leid, aber ich kannte sie ja nicht persönlich, indes Susi
     meine nahe Freundin ist, an deren Triumphen mich zu freuen ich geradezu verpflichtet bin. Immerhin beruhigt es mein Gewissen,
     daß Susi die Maus auffrißt und damit die einzige Berechtigung zum Töten, die es geben kann, beweist. Die Hündin zerknutscht
     die Maus zwischen den Schneidezähnen zu einem formlosen, aber noch in sich zusammenhängenden Gebilde, nimmt dann die Beute
     tief ins Maul und beginnt sie zwischen den Reißzähnen zu zerkleinern und zu schlucken. Dann hat sie vorläufig von der Mäusejagd
     genug und schlägt mir vor, weiterzugehen.
    Unser Weg führt an den Strom, wo ich mich ausziehe und Käscher, Kanne und Kleider verstecke. Dann geht es stromaufwärts, auf
     dem alten »Treppelweg«, das heißt auf dem Pfade, der für die Pferde vorgesehen war, die in alten Zeiten die Schiffe stromauf
     »treidelten«. Jetzt ist dieser Weg bis auf einen schmalen Streifen zugewuchert und führt durch einen dichten Dschungel der
     kanadischen Goldrute (Solidago), der unangenehm untermischt ist mit Brennesseln und Brombeersträuchern, so daß man beide Arme
     braucht, um sich die stechende und brennende Vegetation vom Leibe zu halten.
    Die feuchte Hitze in dieser Pflanzenwildnis ist unerträglich, hechelnd folgt mir Susi dicht auf den Fersen, uninteressiert
     an allen jagdlichen Verlockungen, die das Dickicht bietet. Schließlich sind wir an jener Stelle angekommen, von der aus ich
     den Strom überqueren will. Eine breite helle Kiesbank streckt sich hier bei niedrigem Wasserstand

Weitere Kostenlose Bücher