So nah am Leben
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Der Reiseführer versprach in Tardajos eine Bar, die Zimmer vermietet. Als sie dort ankam, hatte die besagte Bar noch bis zum Abend geschlossen, dafür hatte eine angrenzende geöffnet. Es war erst drei Uhr nachmittags, und so versuchte sie die Zeit sinnvoll und vor allem erholsam zu verbringen. In den Räumen der Bar konnte sie es nur schwer aushalten. Sie waren bereits am frühen Nachmittag derart verraucht, daß ihre Nase — inzwischen durch soviel frische Luft verwöhnt — sofort Protest erhob. Und so wartete sie vor der Tür.
Es dauert nicht lange, und ein weiterer Pilger findet den Weg in das kleine Nest am Rande des Caminos. Martin hat gerade seine Doktorarbeit in Deutschland abgeschlossen und nutzt den Weg nun dazu, um eine anstehende Entscheidung zu treffen. Er ist sich noch nicht im klaren darüber, ob er in die Wirtschaft gehen soll oder bei der Wissenschaft bleiben will. Er erhofft sich auf den vielen Kilometern eine Antwort auf seine Frage. Sie sitzen beieinander im Gespräch vertieft, als Kurt des Weges kommt. Eine liebenswerte und schlichte Natur ohne Fremdsprachenkenntnisse. Martin und er kennen sich schon von einem anderen Treffen der letzten Tage. Kurt hat sich bereits in der winzigen Herberge einquartiert, und Martin wartet, genau wie Samantha, daß die Bar mit den Zimmern öffnet.
Gegen sieben gesellt sich dann noch Davis aus Neuseeland dazu. Er wartet auf das Peregrino-Menü, das um acht Uhr serviert werden soll. Es ist eine anregende und lustige Runde. Die vier verstehen sich prächtig, und für diesen kurzen Zeitraum kann Samantha den Vorfall in Burgos vergessen. Dann, um acht Uhr, öffnet sich schließlich die Tür zur Herbergsbar, doch es ist nur die Putzfrau. Zimmer werden heute keine vermietet!
Martin und Samantha schauen sich an und sind einen Moment lang frustriert. Sie haben den ganzen Nachmittag gewartet — und nun das. Dann treffen sich ihre Blicke ein zweites Mal und sie schmunzeln. Wäre alles anders, hätten sie sich nicht kennengelernt. Fazit: Alles ist wie immer in Ordnung und so, wie es ist, genau richtig.
Mittlerweile ist auch der Herbergsvater der „Winzlingsherberge“ aufgetaucht und erzählt zu ihrem und seinem großen Vergnügen ein paar Anekdoten — und am Ende, daß er noch ein paar Plätze frei hat! So kommt es, wie es kommen mußte: Die vier teilen sich ein Zimmer und klären der Gerechtigkeit halber gleich ab, wer nachts schnarcht und wer ständig auf die Toilette muß. Lachend verkriechen sie sich in ihre Betten, und die Vereinbarung geht haargenau auf: Samantha muß dreimal raus und die Männer schnarchen abwechselnd. Alles ist gut.
Es ist Samanthas dritte Nacht in einer Herberge. In der ersten „Herbergsnacht“ war sie noch voller Aufregung, absolut ahnungslos und ohne jegliche Erfahrung gewesen. In der zweiten hatte Samantha trotz Wind und Kälte die freie Natur in der Nähe der Kirche dem „Camino-Sound“ des Herbergssaals vorgezogen, und in dieser dritten Nacht hat sie nur noch die Sorge, aus ihrem Bett herauszufallen, da sie in einem der oberen Betten liegt. Sie fürchtet sich davor, daß sie vergessen könnte, daß sie oben schläft, und beim Verlassen des Bettes nicht mehr daran denkt, zuerst auf die Stuhllehne zu steigen und danach erst die Beine auf die Erde zu setzen. Ihre Furcht hat ihren Tiefschlaf etwas beeinflußt, aber es ist letztlich alles gut gegangen — sie hat sich nichts gebrochen und auch niemanden durch ihre Geräusche geweckt.
Am nächsten Morgen läßt sie erst einmal alle anderen aufstehen und wartet, bis der Letzte aus dem Zimmer ist. Rasch Zähne putzen und dann ab. Ihr Etappenplan ist gänzlich aus den Fugen geraten. Sie hatte sich doch ursprünglich eine kleine Auszeit nehmen und zwei Tage in Burgos verbringen wollen...
Ihre Füße spielen immer noch im Gras. Sie sitzt auf dem Boden, die Hände nach hinten abgestützt, und schaut in die Sonne. Noch sind ihre Strahlen so mild. Und wieder muß sie an den gestrigen Mittag denken. Und wieder kommt dieses Gefühl von Gewalt, Schmutz und Feuer in ihr hoch. Die Haare auf ihren Armen stellen sich auf. Was war das gestern?
Was hat sie mit dieser klerikalen Unterdrückung und den patriarchalischen Machtenergien zu tun?
Es geht um GEWALT, MACHT und Unterdrückung, die eine Variante der Macht ist, soviel ist ihr klar. Ein Spiel, das heute mehr denn je gespielt wird. Aus ihrer Sicht ist es ein Spiel um Energie — um Lebensenergie.
Die Quantenphysik hat sehr
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