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So nah am Leben

So nah am Leben

Titel: So nah am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inaqiawa
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sie, als sie die Schlange der Touristen am Eingang sieht. Sie schaut auf ihre Uhr. Es ist Mittagszeit. Vielleicht gibt es eine Messe und deshalb wollen alle gerade jetzt hinein. Ihr Verlangen, sich ebenfalls dort anzustellen, hält sich sehr in Grenzen. Es gibt ungezählte Seitenportale, die jedoch allesamt vergittert sind. Samantha preßt ihre Nase durch eines der Gitter, um einen ersten Eindruck vom Innenraum der Kathedrale zu bekommen.

    Plötzlich steigt in ihr ein schauriges Gefühl auf. Sie bekommt Herzklopfen, und für einen kurzen Moment fühlt sie sich, als wäre sie in einem Kerker. Im Gegensatz zum freien Platz und dem warmen Sonnenstrahlen hinter ihr tun sich vor ihren Augen kalte Steinwände auf, umgeben von dunkler, muffiger Luft. Ihr Herz klopft immer schneller, bis sie schließlich Atemnot bekommt. Sie löst sich vom Gitter und atmet tief durch. Nein, hier möchte sie im Moment auf keinen Fall bleiben.

    Sie geht zwei Straßen weiter zu einem kleinen Platz und setzt sich in ein Café, um wieder durchatmen zu können. Immer noch benommen, fragt sie sich, was da gerade abgelaufen ist. Sie bestellt sich einen Kaffee mit einem Bocadillo und schiebt diesen Vorfall erst einmal beiseite.
    Samantha nippt von dem Kaffee und beißt ein paarmal von dem Brot ab, aber sie kann kaum eine Besserung verspüren. Zwar hat das Herzklopfen ein bißchen nachgelassen, aber die Atemnot will nicht verschwinden.
    Sie blickt sich um, dann schließt sie ihre Augen und läßt die Atmosphäre auf sich wirken. Die Energien schnüren ihr den Hals zu und legen sich auf ihre Bronchien. Sie friert und schwitzt zugleich, und alles wird irgendwie unglaublich eng. Ihre Glieder sind schwer, und ihre Stimmung ist auf einmal kämpferisch. Im nächsten Moment fühlt sie sich, als schließe sie mit ihrem Leben ab. Dann wird ihr plötzlich schwindelig.
    Benommen packt Samantha ihr angebissenes Bocadillo in den Rucksack, schultert ihn und sucht nach gelben Pfeilen. Sie irrt verzweifelt durch die Straßen, bis sie endlich einen gelben Pfeil findet, der sie vorbei an den vielen Kirchen der Altstadt führt. Inzwischen rennt sie fast in der Mittagshitze, fühlt sich wie auf der Flucht. Ihre Beine werden immer schwerer und trotzdem schneller, bis sie die Altstadt hinter sich gelassen hat und in das Universitätsgelände einbiegt. Auf einer kleinen Bank kommt sie endlich zur Ruhe. Sie legt sich in den Schatten und schläft ein. Dieser kurze Schlaf wird von einem Traum begleitet. Dunkle, enge Gassen, Gestank und Feuersbrunst.

    Als sie wieder aufwacht, kann sie benennen, was sie vorhin empfunden hat. Die negative Energie der Altstadt von Burgos hat wie eine Windhose auf sie gewirkt. Die klerikale Unterdrückung und die patriarchalische Macht- und Gewaltenergie, die von der Altstadt angesogen wurden, sind gebündelt in Samantha eingeströmt. Es hatte sie wie eine Riesenwucht aus all den Jahrhunderten getroffen und ihr den Atem genommen.
    Jetzt nach der Ruhepause sind Herzklopfen und Atemnot verschwunden. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt jedoch zurück. Sie sammelt ihre sieben Sachen zusammen und will nur noch weg von hier. Da ist etwas an die Oberfläche getreten, das noch lange nicht geklärt ist, und Samantha ist gespannt, was da noch alles zum Vorschein kommen wird. Für den Moment will sie diese Energien aber hinter sich lassen.
    Ohne das gebuchte Hotel abzusagen und ohne zu wissen, wo sie heute die Nacht verbringen wird, geht sie weiter und pfeift auf die Kultur dieser Stadt. Irgend etwas stimmt da nicht, das ist ihr jetzt klar.

Macht

    Macht ist ein Spiel um Lebensenergie.
    Macht beinhaltet Energieklau
    als Überlebenstechnik
    und ist nur mit Liebe zu kurieren!

    Sie sitzt an einem kleinen Rastplatz unter halbhohen Pinien. Es ist gerade hell geworden, und die Sonne bewegt sich ganz langsam und mild über den Himmel. Vögel sind heute keine zu hören. Dafür rauscht ein leichter Wind durch die Zweige. Es ist sehr friedlich an diesem Morgen auf dem Camino. Sie hat ihre Schuhe ausgezogen, und ihre Füße spielen im Gras der kleinen einladenden Rasenfläche.

    Der gestrige Tag will gar nicht weichen und zur Vergangenheit werden. Sie spürt ihn noch ganz genau in jeder einzelnen ihrer Zellen. Nachdem sie sich gestern wieder ein wenig orientiert und sich ein neues Tagesziel gesucht hatte, ist sie noch drei Stunden unterwegs gewesen. Sie hat Burgos hinter sich gelassen, und mit jedem Kilometer, den sie voranschritt, kehrte ihre Lebensfreude

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