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So nah bei dir und doch so fern

So nah bei dir und doch so fern

Titel: So nah bei dir und doch so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Allatt
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blinzelte ich und dachte: Endlich!
    Wieder einmal war Alison mein Sprachrohr und ging eine Schwester suchen. Es war keine leichte Aufgabe, aber eine, die Alison unbedingt in die Tat umgesetzt sehen wollte, da sie verstanden hatte, dass etwas wie das einfache Spüren des eisigen Windes auf meinen Wangen größeren therapeutischen Nutzen für mich besaß als eine noch so große Menge Schmerzmittel.
    Meine Physiotherapeuten hatten bereits damit begonnen, mich während der Behandlung in einen Stützstuhl zu heben und wieder herauszuholen. Jetzt verlangte es ein größeres Transportmanöver, als eine Hebevorrichtung an mein Bett gerollt wurde und man mich wie ein lebloses Wesen in einen gepolsterten Rollstuhl hievte, wie man sie in Altenheimen benutzt. Einmal in den Stuhl geplumpst, von Kissen als Stütze für meinen Körper umgeben, mit der Kombination von Atem- und Ernährungsschläuchen auf Rädern neben mir, wurde ich nach draußen geschoben. Sämtliche Schläuche und Drähte mussten justiert werden, und eine Schwester begleitete uns, um die Geräte zu überwachen.
    Der Hof erwies sich nicht gerade als malerischster Ort der Welt. Der Blick über eine kleine Mauer auf einen Parkplatz konnte nicht mithalten mit der Aussicht von den Gipfeln der Peaks auf die Täler von Baslow und Hathersage. Immerhin aber war es ein Fenster zu einer Welt, in der das Leben normal weiterlief, in der die Menschen ihren täglichen Geschäften nachgingen, und nachdem ich einen Monat lang in einem Umfeld von Tod und Trübsal verbracht hatte, war dies ein gewaltiger Schub für meine Moral.
    Nachdem ich einmal an dem Leben da draußen geschnuppert hatte, wollte ich mehr. Ich war glücklich, jedes Mal zwei oder drei Stunden draußen sitzen zu können. Unter meinen Decken war ich warm eingemummelt, meine armen Besucher allerdings zitterten furchtbar in der Kälte.
    Doch wir bemühten uns immer, die lustigen und lächerlichen Seiten des Lebens zu sehen. Ich erinnere mich an eine Episode, als eine der Schwestern ohne nachzudenken sagte: »Rufen Sie mich, wenn Sie mich brauchen.« Mark brach in schallendes Gelächter aus, und ich versuchte, mich zu einem Lächeln zu zwingen.
    Unter all meinen Besuchern schien nur Jaqui den Eifer zu besitzen, mit der Buchstabentafel richtig umzugehen, doch selbst mit ihr empfand ich die Prozedur als strapaziös. Ich beherrschte ein paar Schlüsselwörter wie RAUS , HEI ß und SCHLAF , um mein Unbehagen auszudrücken, und TEE , um klarzumachen, dass ich unbedingt eine Tasse haben wollte, obwohl ich immer noch nichts trinken durfte.
    Der Dienst dieser mühseligen Buchstabentafel war nur von kurzer Dauer, denn die Schwestern wiesen meine Freundinnen darauf hin, die Methode sei nicht zweckmäßig, da sie für Patienten wie mich, die das Kommunizieren erst wieder lernen mussten, eine Karte mit Farbcodes benutzten. Und sie fürchteten, zwei unterschiedliche Systeme könnten mich später bei der Rehabilitation irritieren. Also wurde das Alphabet entfernt. In mancher Hinsicht war ich erleichtert, denn es hatte mehr Scherereien als Nutzen gebracht, und ich fand, meine Augen seien mittlerweile zu einem verlässlicheren Mittel geworden, eine Botschaft zu übermitteln.

    Ich freute mich immer mehr auf die Besuche meiner Freundinnen, denn sie bedeuteten Spaß und lenkten mich von meiner scheußlichen Situation ab. Alison saß häufig neben meinem Bett und las mir Geschichten aus der Zeitung vor oder sie brachte das Buch mit, das sie gerade las, und zitierte Auszüge daraus. Einmal las sie mir aus Warren Beattys Autobiografie vor, hörte bei den obszöneren Teilen aber auf.
    »Ich glaube der Mann im nächsten Bett wird ein bisschen zu erregt sein«, flüsterte sie.

    Sobald die Ärzte festgestellt hatten, dass mein Verstand unangetastet war und ich mittels Blinzeln Fragen beantworten konnte, begannen sie, mich in die Behandlung mit einzubeziehen. Eines Morgens wurde ich gefragt, ob ich bereit sei, eine Tracheotomie durchführen zu lassen. Einfach gesagt ging es darum, einen Schnitt in meine Luftröhre zu machen und einen Schlauch einzuführen, der mir das Atmen ermöglichen sollte.
    Für mich war das eine Sache, die keiner längeren Überlegung bedurfte, denn das hieß doch, dass ich endlich von dem Schlauch befreit würde, der meinen Mund füllte und mir Unbehagen bereitete.
    Ich blinzelte zwei Mal für »ja«.
    Meine Mutter hingegen war strikt gegen die Operation und hatte sich bis jetzt in meinem Namen dagegen gewehrt. Sie

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