So nah bei dir und doch so fern
Und ich schwor mir, falls ich einmal Kinder haben sollte, wenn ich eines Tages den Richtigen gefunden hatte, immer für sie da zu sein.
Während der sechs Wochen in Virginia war ich einsam. Ich wohnte in einem großen Zimmer im Dachgeschoss und hatte alles, was ich brauchte, außer irgendwelchen Freunden. Zwischen der Ranch und dem nächsten Haus lagen fast zehn Kilometer, und so war es schwierig, überhaupt jemanden kennenzulernen. Manchmal besuchte ich eine der Kneipen von Middleberg, einer extrem anglophilen Stadt, deren Einwohner sich rührend um mich kümmerten, sobald sie meinen Akzent hörten.
Ein Ehepaar, Sam und Gladys, nahm mich unter seine Fittiche. Sie waren Südstaatler der alten Schule. Sam trank zum Frühstück seinen Bourbon und suchte Würmer, um in der Dämmerung angeln zu können. Gladys war häuslich und backte mir zum Geburtstag einen Kuchen. Sie waren so etwas wie Ersatzeltern für mich und bewiesen die großartige Gastfreundschaft der Südstaatler, als meine Mutter und Dave mich besuchten.
Während dieses Aufenthalts in Amerika fand ich auch die Liebe zu Will, oder zumindest das, was ich damals dafür hielt. Ich lernte ihn kennen, als er zum Reiten auf der Ranch erschien. Er war Mitglied der Olympiamannschaft im Reiten von Boston und zehn Jahre älter als ich. Ich glaubte, er sei der Richtige und wir würden für immer zusammenbleiben. Ich irrte mich. Als ich nach England zurückkehrte, verloren wir den Kontakt, und ich stürzte mich ins Studentenleben.
Bei jenen Gelegenheiten, wenn ich mit meinen Gedanken in glücklichere Zeiten zurückglitt, in denen ich für niemanden die Verantwortung trug, ging es mir darum, meine Trennungsängste zu bekämpfen. Anfangs konnten meine Freundinnen nicht verstehen, weshalb ich jedes Mal abzuschalten schien, wenn sie India, Harvey oder Woody erwähnten. Sie begriffen nicht, weshalb ich offenbar kein Interesse zeigte und mich ihren sorgfältig vorbereiteten Erzählungen verschloss.
Tagelang lieferte mein Verhalten den Stoff für heftige Debatten unter meinen Freundinnen, bis sie schließlich kapierten, dass ihr Gerede über meine Kinder der Auslöser war. Sie konnten sich nicht vorstellen, warum ich nicht wissen wollte, wie es ihnen ging. Sie lebten in voll funktionierenden Familien, und für sie gab es keine größere gesellschaftliche Schande als eine Mutter, die ihre Kinder in all ihren Gedanken und Handlungen nicht an die erste Stelle setzte.
Jaqui, die am ehesten über den eigenen Tellerrand hinausschauen konnte, meinte schließlich, vielleicht wolle ich nicht so viele Einzelheiten über das Leben meiner Kinder hören.
»Vermutlich hält sie es nicht aus, wo sie doch weiß, dass sie nicht in der Lage ist, ihre Mutterrolle für die Kinder zu übernehmen. Wir wissen doch gar nicht, was sie fühlt, und deshalb dürfen wir auch nicht unsere gesellschaftlichen Maßstäbe und Urteile auf Kates Situation übertragen«, sagte sie eines Abends zu Alison und Anita, nachdem sie die Station verlassen hatten.
Die Erkenntnis, dass unsere Fähigkeit, uns Sorgen um andere zu machen, begrenzt ist und dadurch bestimmt wird, inwieweit wir funktionstüchtig sind, begann langsam zu ihnen durchzudringen. Mir gelang es gerade, meinen täglichen Kampf ums Überleben auszuhalten. Für die Sorge um irgendjemand anderen fehlte mir die Kraft, auch für die um meine eigenen Kinder. Sie waren mir nicht gleichgültig, nur war ich schlichtweg nicht in der Lage, mich um sie zu kümmern, und nachdem meine Freundinnen dies schließlich herausgefunden hatten, verlief unsere einseitige Konversation weniger belastend.
KAPITEL 11
Mama weint nur, weil sie glücklich ist, dich zu sehen
M eine Stimmung hob sich durch einen Besuch meiner Tochter India. Eingebunden in die tägliche Routine von Arbeit, Krankenhaus und Zuhause war das größte Problem, das an Mark nagte, die Frage, ob er unsere Kinder zu mir mitbringen sollte.
In den Wochen nach meinem Schlaganfall mussten sie sich in häuslichen Abläufen zurechtfinden, während sie von einem emotional ausgepowerten Vater umsorgt wurden. Langsam zeigten sich bei sämtlichen Familienmitgliedern Stresssymptome. India wurde krank und litt unter Hautproblemen, die aus innerer Unruhe resultierten, Woody und Harvey revoltierten gegen ihre Großmütter, die sich die Aufgabe einer Ersatzmutter teilten. Woody bekam regelmäßig Wutanfälle, und Marks Mutter hatte größte Schwierigkeiten, ihn unter Kontrolle zu halten. Harvey warf seinen
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