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So nah bei dir und doch so fern

So nah bei dir und doch so fern

Titel: So nah bei dir und doch so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Allatt
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den Block für mich hielt. Zuerst gelang es mir nicht, mit der Spitze genügend aufzudrücken, sie flutschte über das Papier und hinterließ lediglich ein paar tintenschwarze Linien. Ich versuchte es erneut und konzentrierte mich darauf, meine Hand den Buchstaben folgen zu lassen, die ich im Geist so deutlich vor mir sah. Ich musste erfolgreich sein, bevor Woody das Interesse verlor.
    Das W war einfach, nur nach unten und wieder hoch. Die Os und das D waren schwieriger, da ich meine Hand kreisen lassen musste, was ich noch nicht geübt hatte. Schließlich fügte ich noch ein Y hinzu. Es war ein krakeliger und kindlicher Schreibversuch.
    Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass sich Marks Augen mit Tränen füllten, während er uns von der anderen Seite der Küche aus zuschaute. Er hatte gedacht, es sei brutal von Woody gewesen, mir etwas abzuverlangen, das meine Fähigkeiten überstieg, dabei hatte er mich lediglich dazu gebracht, ein weiteres Ziel schneller zu erreichen, als überhaupt jemand erwartet hatte.
    Nachdem ich Woodys Namen zu Papier gebracht hatte, konnte ich India und Harvey natürlich nicht auslassen. Sie wollten, dass ich auch ihre Namen schrieb. Langsam, voll konzentriert auf meine Hand und den Stift, kritzelte ich auch ihre Namen.
    Als ich nach diesem Besuch ins Krankenhaus zurückkam, war das Team ein weiteres Mal überrascht von meinem Fortschritt. Mark und die Kinder ließen einen Notizblock an meinem Bett zurück, und die ganze Nacht hindurch übte ich, die Namen aller Freunde und Bekannten zu schreiben, bis ich so müde wurde, dass meine Schrift nur noch ein unleserliches kindliches Gekrakel war.
    Das Schreiben verhalf mir zu einer neuen Möglichkeit, mich auszudrücken. So schrieb ich zum Beispiel dem Pflegepersonal auf, welche Bedürfnisse ich hatte. Und wenn ich alleine war und in meinem Bett lag, konnte ich meine Gedanken und Gefühle festhalten. Schreiben war etwas, das ich spontan tun konnte, sofern ich einen Schreibblock und einen Stift zur Hand hatte. Mit meinen Gedanken alleine gelassen, begann ich, ein Tagebuch zu führen, das zum Ausgangspunkt für dieses Buch wurde.

    Während der Besuche bei mir zu Hause machte ich mir Sorgen, was passieren würde, falls mein Katheterbeutel überlief oder meine Windel gewechselt werden musste. Wenn ich in Begleitung von Schwestern war, fühlte ich mich sicher aufgehoben, doch ungefähr einen Monat nach Beginn dieser Ausflüge durfte ich das Krankenhaus ohne Schwestern verlassen, und plötzlich plagte mich gewaltige Angst.
    Mark übernahm die Aufgabe der verantwortlichen Pflegeperson. Doch obwohl er meine ganze Geschichte miterlebt hatte, fehlte ihm jegliche praktische Erfahrung mit meiner medizinischen Versorgung, weshalb er erst lernen musste, wie mein Katheter-Beutel ausgetauscht wurde. Im Krankenhaus geschah dies wie selbstverständlich. Wenn der Beutel voll war, zogen die Schwestern den Vorhang um mein Bett, klemmten den Schlauch ab, der zum Beutel führte, tauschten diesen gegen einen neuen aus, öffneten den Schlauch wieder, und schon war alles erledigt.
    Zu Hause wurde die Möglichkeit eines überlaufenden Beutels und die Pfütze auf dem Fußboden vor den Augen meiner Kinder zum Schreckgespenst, was mich derart belastete, dass ich mich außerhalb des Krankenhauses nie entspannte und die Zeit zu Hause nicht genießen konnte. Am Ende spürte ich sogar eine Art Erleichterung, wenn es wieder zurück nach Osborn 4 ging.
    Zusätzlich zu den Wochenendbesuchen bei Mark und den Kindern erhielt ich die Erlaubnis, unter der Woche Besuche abzustatten, wenn meine Mutter und Dave oder Alison bei uns zu Hause waren. Anita kam auf einen Kaffee vorbei, und ein paar Minuten lang war es fast wie in alten Zeiten, außer dass ich ohne die Kommunikationstafel nicht in das Geschnatter einstimmen konnte. Diese Ausflüge wurden einfacher, nachdem ich einmal gelernt hatte, alleine zurechtzukommen und vom Rollstuhl auf einen normalen Autositz zu rutschen.
    Für Tagestrips konnte ich also auf den Kleinbus verzichten und so lange wegbleiben, wie ich wollte. Wenn mir nach einem Nachmittag im Meadowhall war, brauchten mich Alison, Anita oder meine Mutter nur in ihrem Auto mitzunehmen. Wenn ich an einem sonnigen Nachmittag lieber in den Park wollte, als im Krankenhausgarten zu sitzen, war auch das möglich. Eines Tages gelang es mir sogar, die Kinder zu überraschen, als mich Alison und meine Mutter zur Schule schoben, wo wir sie nach Unterrichtsschluss abholten. Ich werde

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