So nicht, Europa!
auf
die Initiative der EU zurück?
Der Aufbau des Landes wird von der Nato geleitet und von 52.000 Isaf-Soldaten gestemmt. Der Anteil der Europäischen Union beschränkt sich im Wesentlichen auf das Training von Polizisten.
Und die Bilanz auf diesem Sektor ist absolut kümmerlich. Als »diskret« bezeichnete die Außenbeauftragte Ashton die Arbeit
der EU im Bereich der Polizeiausbildung und der Justizreform Anfang 2010. 87 Das ist Understatement in Vollendung. Die Leistungen Europas nach acht Jahren Sicherheitsaufbau in Afghanistan sind schlicht
und ergreifend blamabel.
2002 erklärte sich das deutsche Innenministerium bereit, das Polizeitraining am Hindukusch zu koordinieren. Dazu baute es
zunächst einmal ein schmuckes Hauptquartier im Diplomatenviertel von Kabul auf. Das dreistöckige Bürogebäude in roter Backsteinoptik
ist von ausgesuchter Behaglichkeit. In dem begrünten Atrium, in dem die blaue E U-Flagge weht, wachsen Ziersträucher, Verandatüren führen hinaus in den Innenhof. Ein paar afghanische Händler liefern gerade schmucke,
handgeknüpfte Teppiche an, die ein Trupp deutscher Polizisten fachmännisch in Augenschein nimmt. »EUPOL Headquarters« steht
auf einem Stein neben der Einfahrt. Seit Mai 2007 trägt offiziell die Europäische Union hier die Verantwortung.
Die Erfolge des Projekts sind schnell erzählt: Gerade einmal 250 europäische Polizeiausbilder taten Ende 2009 in Afghanistan
Dienst. Gebrauchen könnte das 3 2-Millionen -Einwohner-Land die zwanzigfache Zahl. Der Streitkräfteausschuss der U S-Senats schätzt, dass 4225 Polizeitrainer nötig wären, um in akzeptabler Zeit die Zielmarke von 134.000 afghanischen Polizisten zu erreichen, die nötig
wäre, um wenigstens ansatzweise so wie »selbsttra gende Sicherheit« herzustellen. (In Deutschland, zum Vergleich, gibt es bei 80 Millionen Einwohnern etwa 250.000 Beamte). 88 Laut afghanischer Regierung waren bis Ende 2009 82.000 Polizisten ausgebildet. Wie viele von ihnen allerdings ihrem Job ernsthaft nachgehen, wie viele wieder desertierten oder zu
den besser zahlenden Taliban überliefen, kann niemand sagen.
Nicht alle Mitarbeiter im Kabuler EUPO L-Hauptquartier sindgut auf die beiden deutschen Missionschefs zu sprechen, die Berlin zu Anfang des Projekts nach Kabul entsandt hat. »Das war
ein Kaffeejob für die, ein gut bezahlter Kaffeejob«, lästert ein nordeuropäischer Diplomat. Mittlerweile hat der Däne Kai
Vittrup die Leitung von EUPOL übernommen. Er ist ein drahtiger Mann, dem anzumerken ist, wie er für seine Aufgabe brennt.
Seine Uniformärmel trägt er hochgekrempelt bis zu dem blauen E U-Abzeichen am Oberarm. Noch ist er nicht dazu gekommen, in seinem Büro Bilder aufzuhängen. Im Zimmer nebenan wird gerade heftig gehämmert
und gebohrt. »Wir müssen für Ergebnisse sorgen«, sagt Vittrup ungeduldig. »Ich will auch Leute in den [gefährlichen] Osten
des Landes rausschicken. Aber dazu brauchen wir Unterkünfte und die logistische Einbindung ins Militär.« 30.000 Polizisten will Vittrup in den nächsten Jahren ausbilden. Doch dafür müsste er viel mehr Trainer hinaus in die Städte entsenden
können, nach Mazar-i-Sharif oder nach Herat. »Wir können nur hoffen«, resümiert der Däne, »dass sich mehr Freiwillige finden.«
Vittrups größtes Problem, sagt er, bestehe darin, dass sich europäische Polizisten, anders als Soldaten, nicht nach Afghanistan
zwingen ließen. Der Einsatz im Ausland ist und bleibt freiwillig, und wer den Schritt von zu Hause weg schon wage, sagt Vittrup,
der wähle als Standort doch eher das Kosovo oder Georgien statt Afghanistan. »Da ist es viel freundlicher. Da gibt es schöne
Innenstädte und Straßencafés. Die Optionen für Kabul sind etwas andere. Hier kann man getötet werden.« Das mache einen Einsatz
in Afghanistan auch für Frau und Kind schwer vermittelbar.
Das Resultat: Der E U-Mission fehlen noch immer zu viele Ausbilder. Freiwillige dürften in größerem Umfang kaum zu erwarten sein, solange die Europäische
Union nicht die Anreize für Polizisten erhöht, sich auf die gefährliche Mission zu begeben. Anders als beim Militär wird der
Einsatz von Polizisten in Afghanistan weder mit spürbaren Gehaltsaufbesserungen noch mit besseren Karrierechancen nach der
Rückkehr gewürdigt. Es gilt nicht als Verdienst, nach Afghanistan zu gehen, sondern eher als eine Ausflucht. Um sich in den
fordernden Langzeiteinsatz nach
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