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So nicht, Europa!

Titel: So nicht, Europa! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Bittner
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Haupt-Lieferländer sind Norwegen mit 24 und die Niederlande mit 18   Prozent). 60 Russland hängt also mindestens so am Tropf Europas wie umgekehrt. »Energie als Waffe kann man nur einmal einsetzen«, sagt
     Dimitri Trenin, Energieexperte beim Moskauer Carnegie-Center. »Es wäre ein selbstmörderischer Akt, der für die Konsumenten
     eine kurzzeitige Lieferunterbrechung, für den Lieferanten hingegen eine dauerhafte Verkrüppelung nach sich ziehen würde. Die
     Russen sind keine Dschihadisten.« 61
    Das sind sie sicher nicht. Aber sie sind knallharte Geschäftsleute, die ihre Marktmacht gekonnt zu vergrößern wissen. Europa
     hingegen, und hier liegt das Problem, weiß genau das nicht. Es ist ein ausgesprochen weicher Kunde, der sich zum Objekt einer
     klassischen
Divide-et-impera- Strategie
herabverhandeln lässt. Russland ist eine Energiesupermacht, weil Europa es dazu macht. Die EU tritt dem Gasriesen nicht als
     Block gegenüber, sondern als Haufen von 27   Zwergen. Nicht nur sind einzelne Staaten in Südosteuropa so gut wie komplett abhängig vom russischen Gas. Auch die europäische
     Abhängigkeitstendenz vom russischen Gas insgesamt ist stark steigend. Die E U-Kommission rechnet bis 2020 mit einem Anteil von 73   Prozent aus Russland. 62 Die brennende Frage für die Brüsseler Politikplaner lautet daher: Lassen die europäischen Einzelstaaten es zu, dass Russland
     zum beherrschenden Erdgaslieferanten der EU aufsteigt? Oder schaffen sie es rechtzeitig, alternative Quellen aufzutun? Dass
     die Diversifizierung der Energieversorgung nur schleppend vorankommt, liegt freilich nicht an den Brüsseler Institutionen,
     sondern an den Einzelstaaten. Für Europa und seine Verbraucher steht viel auf dem Spiel. Faire Preise sind das eine, Versorgungssicherheit
     das andere.
     
    Die Bewohner Südosteuropas bekamen im Winter 2008   /   09 schmerzhaft zu spüren, was es bedeutet, nahezu vollständig vom russischen Gaszufluss abhängig zu sein. Ein Streit zwischen
     Moskau und der Ukraine führte zu einer mehrtätigen kompletten Lieferunterbrechung. Gazprom warf der Regierung in Kiew vor,
     unrechtmäßig Gas aus den Pipelines abzuzapfen, durch die 80   Prozent seiner Exporte Richtung Europa strömen. Statt den Konflikt am Verhandlungstisch zu lösen, drehten die Russen kurzerhanddie Ventile zu. In Bulgarien, das zu 100   Prozent von russischem Gas abhängig ist, fielen daraufhin die Heizungen aus, ebenso wie in der Slowakei, das 97   Prozent seines Gases aus Russland bezieht. Mehrere Menschen erfroren in der klirrenden Kälte des Jahreswechsels. In Griechenland,
     Österreich, der Tschechischen Republik, Slowenien, Ungarn, Polen und Rumänien kam es zu drastischen Versorgungsengpässen.
     Der Kälteschock führte zu erhitzten Debatten in Brüssel. »Die Europäer verstehen vielleicht keine Geopolitik. Aber sie verstehen
     sofort, wenn man ihnen die Heizung abdreht«, mahnte der Präsident des Europäischen Parlaments, Jerzy Buzek. 63 Warum, fragten plötzlich immer mehr Politiker, bekommt Europa es einfach nicht hin, mehr Gasanschlüsse in Drittländer zu
     verlegen, um die Abhängigkeit von Russland zu mildern?
    Seit 2007 arbeitet die Europäische Kommission an einer einheitlichen Energiestrategie. Ihr Ziel leuchtet ein: Würde sich die
     EU zu einem einzigen Energiekunden zusammenschließen, der zwischen mehreren Anbietern im Norden, Osten und Süden wählen könnte,
     müssten sich seine Einwohner keine Sorgen mehr darüber machen, dass Russland die Versorgung monopolisieren könnte. Doch Europas
     Einzelstaaten zeigen wenig Ehrgeiz, die Brüsseler Pläne zu ihren eigenen zu machen. Viel mehr als Beifall haben die Regierungen
     der EU zu dem Vorhaben bisher kaum beigetragen. In Brüssel reden sie vom gemeinsamen Energiemarkt, um ihn daheim in den Hauptstädten
     zu verhindern.
    Vor allem Konzerne in Deutschland, Frankreich und Italien krallen sich an ihren Sonderbeziehungen zu Gazprom fest. Deutschlands
     Versorgerriese E.ON Ruhrgas hat sich mit Verträgen an seinen Hauptzulieferer Gazprom gebunden, die eine Laufzeit von 30   Jahren haben. Dahinter steckt eine Beteiligungsbeziehung. E.ON hält Anteile an Gazprom und ist deshalb am Geschäftserfolg
     des russischen Riesen interessiert. Ähnlich hat sich der E.O N-Kon kurrent Wintershall des BAS F-Konzerns mit Gazprom verbandelt. Wintershall darf in Sibirien neue Gasvorkommen erschließen, der russische Monopolist öffnet Wintershall
     seine Leitungen, und

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