So nicht, Europa!
nuklearer Eskalation in sich bürge.«
Der U N-Sicherheitsrat hat seit 2006 vier sanktionsbewehrte Resolutionen gegen Iran verabschiedet. Die erste schuf einen weltweiten Handelsbann
von Nuklearmaterial gegenüber Teheran. Die zweite, 2007, verbot sämtliche Waffenlieferungen nach Iran und verhängte Kontensperrungen
und Reiseverbote gegen zahlreiche mutmaßliche Beteiligte des Atomprogramms. Die dritte, 2008, bekräftigte das bisherige Sanktionsregime
und erweiterte das Handelsembargo auf so genannte Dual-Use-Güter, also auf solche Einfuhren, die sowohl für militärische wie
auch für zivile Zwecke eingesetzt werden könnten. Die vierte, erlassen im Juni 2010, fror die Auslandskonten von 40 iranischen
Firmen und Forschungsinstituten im Ausland ein und verschärfte die Reisebeschränkungen. Gleichzeitig machte die Weltgemeinschaft
Iran ein Angebot. Sollte die Regierung ihr dubioses Atomprogramm einstellen, werde der Westen dem Land helfen, einen Kernreaktor
zur zivilen Nutzung aufzubauen. Das für dessen Betrieb notwendige Uran könne in Russland angereichert und in Frankreich in
Brennstäbe umgewandelt werden. Der Brennstoffkreislauf wäre internationalisiert, dadurch kontrollierbar – und die ganze Angelegenheit
ein wirtschaftlicher Gewinn für alle Beteiligten.
Um diese Optionen zu verhandeln, setzten die Vereinten Nationen eine so genannte Sechsergruppe ein, bestehend aus den fünf
permanenten Sicherheitsratsmitgliedern USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich plus Deutschland. Doch die Gruppe,
auch EU 3+3 genannt, erzielte keinerlei Erfolge. Der Westen, befand der iranische Atomunterhändler Ali Laridschani am Ende
zahlreicher langwieriger Treffen, wolle Iran lediglich sein Uran »stehlen«. Doch im Laufe der Verhandlungen traten auch die
Grenzen der Anti-Bomben-Diplomatie innerhalb der Sechsergruppe selbst zutage. Während die Vereinigten Staaten Iran immer lauter
der Terroristenunterstützung im Nahen Osten beschuldigteund mehreren iranischen Unternehmen Geschäfte auf dem amerikanischen Finanzmarkt untersagte, nahm die Bereitschaft Russlands
und Chinas zu härteren Sanktionen ab.
Moskau hatte in der Iranpolitik schon immer eine Doppelstrategie verfolgt. Obwohl es die bereits beschlossenen Handelssanktionen
offiziell mit trug, baute die russische Industrie ihre Kooperation mit dem Teheraner Regime aus. Allein in den ersten neun
Monaten des Jahres 2007 verdoppelte sich russischen Angaben zufolge der Warenaustausch zwischen beiden Ländern – und zwar
auch und gerade in sicherheitssensiblen Sektoren. 71 Noch Ende 2007 versprach der Kreml der Teheraner Regierung die Lieferung von modernen S-300 Luftabwehrraketen im Wert von 700 Millionen Dollar (erst 2010 zog er das Angebot zurück). 72 Bis 2008 halfen russische Unternehmen außerdem maßgeblich beim Aufbau des einzigen iranischen Kernkraftwerkes in Buschehr.
Der Deal soll für 300 russische Firmen einen Wert von insgesamt 800 Millionen Dollar gehabt haben. 73 Zudem verbindet die Energieriesen Russland und Iran eine potenzielle fossile Energie-Union. Zusammen bringen die beiden Länder
über 42 Prozent der Welt-Erdgas-Reserven auf die politische Waagschale. Im Oktober 2008 schlossen sich Russland, Iran und der Golfstaat
Katar zu einer »Gas-OPEC« zusammen. Das Kartell verfügt über sage und schreibe 60 Prozent des globalen Naturerdgases. 74
Dieser kraftstrotzende Bund würde platzen, wenn Russland im Weltsicherheitsrat Exportbeschränkungen für Iran zustimmt. Wie
sehr Russland Iran als strategischer Partner am Herzen liegt, zeigen auch kleine Gesten: Am 16. Juni 2009, während europäische Staatskanzleien noch rätselten, wie sie mit dem offenkundigen Wahlbetrug des Gewaltherrschers
Mahmud Ahmadinedschads umgehen sollten, war der russische Präsident Dimitri Medwedew der Erste, der ihm zu seiner »Wiederwahl«
gratulierte. 75
China derweil bezieht 15 Prozent seines Öl- und Gasimportes aus Iran. Da der Bedarf in der rapide wachsenden Volkswirtschaft weiter zunimmt, würde
sich auch Peking mit Beschränkungen iranischer Exporte ins eigene Fleisch schneiden. Allein im Jahr 2006 stieg das Handelsvolumen
zwischen den beiden Ländern um 43 Prozent an. 76 Kein Wunder, dass chinesische Regierungsvertreter bei jeder Gelegenheit dafür werben, der »Dialog« mit Teheran müsse weitergehen. 77
Und Europa? Zwischen der Hardliner-Position Amerikas und der
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