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So nicht, Europa!

Titel: So nicht, Europa! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Bittner
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für ihren nuklearen Aufstieg zu schinden, sie müssten spätestens mit dem
     Auftritt des iranischen Außenministers auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2010 ernüchtert worden sein. Die Zusammenkunft
     im Hotel Bayerischer Hof ist Jahr für Jahr ein Stelldichein von Staatschefs, Verteidigungsministern, Parlamentariern und Meinungsmachern
     aus Dutzenden von Ländern. Und sie isttraditionell ein Forum für Klartext. Ebenso überrascht wie gespannt waren deswegen die Teilnehmer, als sich spontan der iranische
     Außenminister zu einem Auftritt auf der Münchner Bühne entschloss. Kurz vor Mitternacht versammelte sich die hochkarätige
     Runde eigens zu einer Sondersitzung im Ballsaal. Würde Iran endlich zustimmen, sein Uran unter internationaler Aufsicht anreichern
     zu lassen? Stand der lang erwartete Durchbruch bevor?
    Statt die Chance zur Annäherung zu nutzen, stieß Manuschehr Mottaki das Publikum vor den Kopf. Das nächtliche Bühnengespräch
     zwischen ihm und dem schwedischen Außenminister Carl Bildt geriet zur Farce. Geradezu emblematisch führte die Begegnung vor
     Augen, worin die Beziehungen zwischen der islamischen Republik und Europa von Anfang in Wahrheit bestanden. Europa stellt
     Fragen, und Iran beantwortet sie nicht. Warum Iran denn nicht der Forderung der Vereinten Nationen nachkomme, die Urananreicherung
     auszusetzen, wollte Carl Bildt wissen. Wir seien doch »gute Freunde«, entgegnete Mottaki. Wozu Iran ein umfangreiches Anreicherungsprogramm
     betreibe, obwohl das Land noch keine Kernenergie erzeuge? Zu rein medizinischen Zwecken, so die Beteuerung. Im Gegensatz zu
     Europa, sagte der Iraner, entspreche alles, was seine Regierung tue, dem »Willen des Volkes«. Die Führung in Teheran sei demokratisch
     besser legitimiert als beispielsweise das Europäische Parlament. »In einigen E U-Staaten haben sich nur 25   Prozent der Menschen an dessen Wahl beteiligt. Bei uns waren es 85   Prozent!« Was genau wolle Europa seiner Regierung eigentlich lehren? Mottaki genoss die Provokation sichtlich.
    Am nächsten Tag hatte die neue Hohe Repräsentantin für Außenpolitik der EU, Catherine Ashton, einen ihrer ersten öffentlichen
     Auftritte. Das Münchner Forum wäre die Chance für die Britin gewesen, zweierlei zu tun. Erstens hätte sie den versammelten
     Staaten- und Meinungslenkern aus aller Welt das neue Gewicht des Lissabon-Europas deutlich machen können. Zweitens hätte sie
     auf die nicht nur enttäuschenden, sondern auch provozierenden Stellungnahmen parieren können, die der Iraner am Vorabend verbreitet
     hatte. Die erste »Außenministerin« Europas unterließ beides. Sie freue sich, sagte sie, dass der iranische Außenminister nach
     München gekommen sei. Dann führte sie aus, die Vertrauensbildung zwischen Iran und dem Westen müsse weitergehen, und zwar
     »durch Dialog«. Es dürfe keine »überstürzte«Debatte über neue Sanktionen geben. Sie, Ashton, sei, wie schon ihr Vorgänger, deshalb zu weiteren Gesprächen bereit. 80
    Dass alle vorhergehenden Gespräche über Jahre vor allem dazu geführt hatten, dass Iran weiter aufrüsten konnte, hat in den
     außenpolitischen Etagen Brüssels offenbar keine Lerneffekte ausgelöst. Ebenso wenig hat die Tatsache, dass Iran sich zu einer
     Militärdiktatur entwickelt hat, die auf friedliche Demonstranten schießen und Oppositionelle foltern lässt, auch nur zu einer
     Tonänderung im Umgang mit Figuren wie Mottaki geführt. »Die Entwicklung wird von der EU nicht einmal diskutiert«, wundert
     sich die in Teheran geborene Soziologin Saba Farzan. 81
     
    Für die »E U-Außenministerin «, so zeigt sich anhand des Iran-Beispiels, gilt eine ähnliche strukturelle Schwäche wie für den neuen E U-Ratspräsidenten . Die Amtsbezeichnung klingt groß. Doch in seiner Schlagkraft unterscheidet sich das neue Amt kaum von dem Javier Solanas,
     der Generalsekretär des Rats der Europäischen Union und Hoher Vertreter für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik war.
     Der Nato-Generalsekretär zum Beispiel ist mit ganz ähnlichen Befugnissen für die 28   Staaten des Verteidigungsbündnisses ausgestattet wie die E U-Außenministerin . Nimmt ihn deswegen jemand als Außenpolitiker wahr? Auch von den Vereinten Nationen ist überliefert, dass sich ihre Generalsekretäre
     »mehr als Sekretär, weniger als General« fühlen.
    Zwar definiert der Lissabon-Vertrag die Rolle des neuen Außenbeauftragten denkbar weit. Sie oder er soll

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