So nicht, Europa!
als Ideengeber und
Besorger von Gemeinschaftsbeschlüssen fungieren. Im Unterschied zum bisherigen Amtsinhaber Solana werden seine Nachfolger
sowohl dem Rat wie auch der Kommission (als Vizepräsident) angehören. Zudem führen sie künftig den ständigen Vorsitz über
die Treffen der E U-Außenminister und werden Herr über einen eigenen Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD), der sich aus E U-Beamten und Beamten der nationalen Diplomatischen Dienste zusammensetzen und die neuen »Außenminister« der EU unterstützen soll.
Einscheidungen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union (GASP) müssen zwar auch weiterhin grundsätzlich
alle 27 Regierungen einstimmig treffen. Doch laut der »Passerelle-«, also der Übergangs-Klausel können die Staatschefs beschließen,
über bestimmte Bereiche der GASP künftig mit qualifizierter Mehrheit zu entscheiden.
All dies eröffnet durchaus neue Gestaltungsmöglichkeiten für den EU-»Außenminister«. Eine Persönlichkeit von Format und Ambitionen
könnte den Posten damit möglicherweise zu einer Instanz von einiger Autorität aufbauen. Catherine Ashton indes machte von
Beginn ihrer Amtszeit an klar, dass sie nicht im Geringsten vorhat, einen kämpferischen Kurs einzuschlagen. Die freundliche
Baroness, das wurde spätestens in München deutlich, versteht sich keineswegs als
prima inter pares
der europäischen Außenminister. Mit der Britin setzen die E U-Regierungen vielmehr eine Dame an die Spitze Europas, die als Verkörperung des
understatement
auftritt. Ashton besitzt vor allem zwei Qualitäten, menschliche Sensibilität und eine schnelle Auffassungsgabe. Zu letzterer
gehört, dass sie sich keine Illusionen macht über die Grenzen ihre Macht. Sie weiß, dass europäische Außenpolitik nur prägen
kann, wer bereit ist, mit großer Kraftanstrengung gegen nationale Behauptungswillen anzuarbeiten. Genau das hat Ashton nicht
vor. Sie versteht ihre Aufgabe im Moderieren, nicht im Führen.
Warum Ashton bei der ersten großen Gelegenheit aber darauf verzichtete, das ihrem Amt ohne Zweifel Angemessene und Mögliche
zu tun, irritierte sogar hartgesottene E U-Optimisten . Sie hätte ihren Auftritt in München dazu nutzen können, zumindest kritische Fragen an den Iran zu richten. Sie hätte die
Möglichkeit von neuen Sanktionen in den Raum stellen können, und wäre es nur gewesen, um die E U-Staatschefs mit ein paar Ideen zu füttern. In ihrem Beraterstab gab es zu diesem Zeitpunkt längst Leute, die der Ansicht waren, es reiche
nicht aus, immer nur Zuckerbrot anzubieten; Europa müsse auch einmal bereit sein, die Peitsche zu zücken, ganz im Sinne des
außenpolitischen Leitsatzes von Theodore Roosevelt: »Speak softly and carry a bick stick.« Doch da Ashton wusste, dass etwa
die Bundesregierung keinerlei autonome E U-Sanktionen gegen Iran mittragen würde, praktizierte sie vorauseilenden Gehorsam. Sie beschränkte sich darauf, Öl auf die Wogen zu gießen.
Direkt nach ihrem Vortrag verabschiedete sich Ashton unter Verweis auf andere Termine aus München. Ein ungewöhnlicher Vorgang.
Zum einen hätte man Mühe gehabt, an jenem Wochenende einen Termin mit annähernd großer Bedeutung zu finden. Zum anderen verschenkte
Ashton die besondere Gelegenheit, hinter den Münchner Kulissen mit politischen Führern ins Gesprächzu kommen. Nicht nur bei europäischen Abgesandten löste dieses Verhalten Befremden aus. Es war ein Amerikaner, der demokratische
Senator Joe Lieberman, der die Ernüchterung des internationalen Publikums über den Auftritt der neuen europäischen Chefdiplomatin
auf den Punkt brachte. »Ich war enttäuscht, dass Baroness Ashton gesagt hat, der Dialog müsse fortgesetzt werden. Das sagt
China doch auch.«
Die Strategie Europas gegenüber Iran bleibt die einer breiten Sanktionsbasis. Aus Sicht vor allem Deutschlands muss New York
der Ort sein, an dem über weitere Sanktionen beschlossen wird, nicht Brüssel. Falls Europa eigene Sanktionen beschließe, bevor
die Vereinten Nationen es tun, so die Befürchtung, könnten Russland und China vergrätzt werden und weitere Strafmaßnahmen
im U N-Sicherheitsrat blockieren. Erst nachdem die Weltgemeinschaft die vierte Sanktionsrunde eingeläutet hatte, rangen sich die E U-Außenminister im Juli 2010 dazu durch, die Finanzsperren und Reisebeschränkungen ihrerseits noch einmal auszuweiten. Die Logik, bloß nicht
vorzupreschen, um Fortschritte auf
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