So schoen kann die Liebe sein
zwei Tagen unmissverständlich angeboten hatte, fand er kaum noch Schlaf, weil er bei jedem Geräusch sofort hochschreckte. Er hatte Angst, dass sie in sein Zimmer kommen könnte und er nicht in der Lage wäre, sie abzuweisen. Doch tatsächlich hatte sie während der letzten Tage kaum mit ihm gesprochen, weder am Tisch noch während der Arbeit. Kein einziges Mal hatte sie den Kuss oder ihr Angebot erwähnt.
Er selbst war jedoch daran nicht ganz unschuldig, denn er hatte sie nach Möglichkeit gemieden. Auch heute versuchte er, sie nicht übermäßig zu beachten, ertappte sich aber immer wieder dabei, wie er von seinem Teller aufblickte und sie anstarrte. Es faszinierte ihn, wie sie einen kleinen Bissen von ihrem Rührei auf die Gabel spießte, ihn in den Mund schob und bedächtig kaute. Eigentlich faszinierte ihn alles an ihr, angefangen bei den winzigen Sommersprossen auf ihrer Nase, über ihren schlanken Hals bis hin zu dem übermütigen Funkeln ihrer Augen, das seinen Puls beschleunigte.
Das Geräusch eines sich nähernden Wagens riss ihn aus seinen Gedanken. Richtig, heute Morgen sollte die junge Stute gebracht werden.
Andrea, die es auch gehört hatte, wischte sich schnell die Hände in der Serviette ab.
„Glaubst du, sie kommen?” Ihr Gesicht strahlte. Es war das erste Mal seit Joes Abreise, dass sie von etwas begeistert schien.
„Vielleicht sollten wir mal nachsehen.”
Bevor er aufgestanden war, lief Andrea schon zur Tür hinaus.
„Ich fasse es nicht”, meinte Tess kopfschüttelnd und betrat die Küche. „Beinahe hätte sie mich umgerannt. Aber nichts versetzt dieses Mädchen mehr in Aufregung als ein Pferd.”
Sam wusste nur allzu gut, was sie noch in Aufregung versetzen konnte, behielt es aber lieber für sich. „Stimmt. Ich hoffe nur, dass sie nicht enttäuscht sein wird.”
Tess setzte sich schwerfällig in ihren Sessel und legte die Füße auf einen Hocker, ehe sie Sam viel sagend anlächelte. „Ich bezweifle, dass sie enttäuscht sein wird. Du wirst schon dafür sorgen, dass sie auf ihre Kosten kommt.”
Ohne etwas darauf zu erwidern, verließ Sam die Küche, entschlossen, Tess’ versteckte Andeutungen zu ignorieren. Nichts würde ihm mehr gefallen, als Andrea Freude zu machen -
auf jede erdenkliche Art. Aber er würde sich wohl damit begnügen müssen, ihr eine junge Stute anzubieten, um nicht erneut einen nicht wieder gutzumachenden Fehler zu begehen.
Er trat zu ihr hinaus in den Hof, und gemeinsam sahen sie zu, wie das Pferd ausgeladen wurde. Sam war ein wenig besorgt, da er noch nie ungeprüft ein Pferd gekauft hatte. Doch als der Mann die Jungstute die Rampe des Pferdetransporters hinunterführte, musste er zugeben, dass sie ein Prachtexemplar war. Andrea teilte wohl seine Meinung, denn entzückt schaute sie zu, wie die Zweijährige nach der langen Autofahrt ausgelassen herumsprang.
„Sam, sie ist unglaublich”, sagte sie fast ehrfurchtsvoll.
„Da kann ich dir nur zustimmen.”
Der Mann hielt ihr den Strick hin. „Sie gehört Ihnen.”
Als sie sich nicht von der Stelle rührte, meinte Sam: „Worauf wartest du noch?”
Andrea ging hin und ergriff den Strick. Dann erlaubte sie dem Pferd, an ihrer Hand zu schnuppern, bevor sie es zwischen den Ohren kraulte. Als ob es irgendwie spürte, dass es eine Freundin gefunden hatte, beruhigte es sich und akzeptierte das Streicheln ohne Protest.
„Wie heißt sie?” erkundigte sich Andrea.
„Im Stall haben wir sie nur Sunny genannt”, entgegnete der Mann. „Der offizielle Name lautet Renner’s Sun Goddess.”
„Also Sunny.” Andrea griff ins Halfter und führte das Pferd zum Stall. „Ich werde sie jetzt longieren, um zu sehen, wie sie läuft!” rief sie über die Schulter zurück.
„Gut”, meinte Sam. „Ich komme gleich nach.”
Als er die entsprechenden Papiere unterzeichnet und den Händler bezahlt hatte, befand sich Andrea bereits auf dem kleinen eingezäunten Reitplatz hinter dem Stall und ließ die Stute an der Longe traben.
Sam stellte einen Fuß auf den Zaun und beobachtete Pferd und Trainerin. Die flachsfarbene Mähne und der Schwanz bewegten sich im Gleichklang mit den geschmeidigen Bewegungen. Andreas rote Haare, die in der Junibrise flatterten, hatten fast die gleiche Farbe wie das kupferrote Fell des Tieres. Sie bildeten ein wundervolles Paar, ein Tribut an Schönheit und Grazie, unter der eine gewisse Wildheit schlummerte.
Sams Aufmerksamkeit war nur einen Moment lang auf das Pferd gerichtet, dann
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