So schoen kann die Liebe sein
der Scheune stand und heimlich Vater und Sohn beobachtete, wartete gespannt, was Sam jetzt antworten würde. Doch er sagte nur: „Komm, lass uns mit Fegen weitermachen, damit wir nicht zu spät zum Essen kommen.”
Sie lehnte sich gegen die Wand der Scheune, schloss die Augen und seufzte. Das wäre der perfekte Augenblick gewesen, um es Joe zu sagen. Aber vielleicht respektierte er nur ihre Bitte, dass sie dabei sein wollte. Oder er hatte es ernst gemeint, als er sagte, es wäre besser, wenn Joe nicht die Wahrheit erführe.
Es belastete sie, dass sie dann weiterhin mit dieser Lüge würde leben müssen. Oder sollte sie es ihm trotzdem erzählen? Vielleicht Wenn er viel älter war? Um dann vermutlich seine Wut zu spüren zu bekommen. Würde Joe sie verantwortlich machen, dass sie ihm den Vater vorenthalten hatte? Würde er je verstehen, dass sein Vater nur das Beste gewollt hatte und es eine selbstlose Entscheidung gewesen war? Fragen über Fragen.
„Du siehst ein wenig blass aus, Andi. Hast du heute zu viel gearbeitet?”
Andrea öffnete die Augen und sah Tess, die vor ihr stand und sie besorgt musterte. Sie stieß sich von der Wand ab und streckte den Rücken. „Sam reist morgen ab.”
Tess tätschelte ihr den Arm. „Ich weiß, Liebes. Und genau darüber wollte ich mit dir reden.”
„Ich komm schon damit klar.”
„Das wirst du, wenn du tust, was ich dir jetzt rate.”
Andrea verdrehte die Augen. „Was?”
„Ich möchte, dass Joe heute bei mir in der Baracke schläft, damit du dich ungestört von Sam verabschieden kannst.”
„Ich glaube nicht, dass das nötig ist”, wehrte sie ein wenig verlegen ab.
Tess warf ihr einen strengen Blick zu. „Doch, das ist es. Du verbringst die Nacht mit ihm.
Nimm diese kostbare Erinnerungen, denn sie werden alles sein, was dir bleibt. Bewahre sie in deinem Herzen, damit du etwas in schlechten Zeiten hast.”
Es klang einfach, doch die Vergangenheit hatte Andrea gelehrt, dass es nicht so war. „Ich brauche keine zusätzlichen Erinnerungen, Tess. Die, die ich habe, reichen mir.”
„Unsinn. Tu, was ich dir sage, und danach machst du weiter wie bisher.”
Andrea seufzte und schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter. „Es wird so schwer sein, ihn gehen zu lassen”, brach es plötzlich aus ihr heraus.
Tess drückte ihr die Schulter. „Aber du wirst ihn gehen lassen müssen. Nutze diese Nacht und zeig ihm, wie sehr du ihn liebst. Sag es ihm auch. Wenn er dann geht, dann soll es wohl so sein.”
Ihre Tante mochte Recht haben, und sie entschied sich, eine letzte Nacht mit Sam, der großen Liebe ihres Lebens, zu verbringen.
Plötzlich kam Joe auf sie zugerannt. „Ich bin hungrig!” rief er und unterbrach damit den gefühlvollen Moment.
Tess fing ihn auf und wirbelte ihn herum. „Du isst in letzter Zeit so viel wie ein Bär.”
„Ich bin ein Bär”, brummte Joe und kicherte.
Tess stellte ihn wieder auf die Füße und lächelte geheimnisvoll.
„Wie wär’s, du Bär, wenn du heute Abend bei mir schläfst? Riley kommt auch, und wir könnten was spielen.”
Joe strahlte. „Kann Riley mir Poker beibringen?”
Sowohl Andrea als auch Tess lachten laut auf. „Das könnte er wohl, Großer”, meinte Tess.
„Das heißt, wenn deine Mom es erlaubt.”
Andrea legte die Stirn in Falten und tat so, als müsste sie gründlich darüber nachdenken, bevor sie sagte: „Na gut, solange du nicht Haus und Hof verspielst.”
„Wir bleiben bei Pennys”, versicherte Tess ihr. Sie wandte sich wieder an Joe. „Also abgemacht. Gleich nach dem Abendessen kommst du zu uns rüber, und wir spielen Poker.”
„Darf Sam auch mitspielen?” fragte er.
Tess warf Andrea einen bedeutungsvollen Blick zu. „Ich glaube, Sam und deine Mom haben heute Abend noch etwas zu besprechen.”
Sam hatte Joe im ersten Moment sagen wollen, dass er sein Vater sei, es dann aber doch unterlassen. Da er am nächsten Tag abreiste, wäre es von ihm egoistisch gewesen und seinem Sohn gegenüber mehr als unfair. Denn er hatte sich inzwischen entschieden, nicht mehr zurückzukommen. Es würde ihm von Mal zu Mal schwerer fallen, Abschied zu nehmen. Er konnte nur hoffen, dass Andrea eines Tages einen passenden Vater für Joe fand.
„Es ist das Beste so”, versuchte er sich einzureden und ignorierte den Trennungsschmerz, während er dabei war, seine restlichen Sachen einzupacken. Das Wichtigste hatte er sich bis zum Schluss aufbewahrt - den Baseball, Pauls Geschenk zur bestandenen Prüfung
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