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So schön kann Küssen sein

So schön kann Küssen sein

Titel: So schön kann Küssen sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Conrad
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als er das Taschenmesser aus der Jeans zog. Gerade wollte er die Klinge aufklappen, als ein Händchen seine Wange berührte.
    “Hi, Kleiner, tut dir was weh?”, fragte er möglichst ruhig. “Ich hole dich hier gleich heraus.”
    Das dunkelhaarige Kind hatte nichts am Leib außer einem roten Sweater und einer Windel. Es begann zu weinen, nicht laut, aber herzzerreißend.
    “Papa?”, fragte der Kleine und versuchte, sich an Mannys Jacke festzuhalten.
    “Ich bin nicht dein Papa, ‘hijo’, aber du brauchst trotzdem keine Angst zu haben. Dir passiert nichts.”
    Die Eltern hatte der Kleine bereits verloren. Das reicht, dachte Manny und schwor sich, dass von jetzt an er für seine Sicherheit sorgen würde, egal, was es ihn kosten würde und wie andere darüber dachten.
    Ohne Rücksicht auf seine schmerzende Schulter schnitt er den Sicherheitsgurt nun kurzerhand durch. Sobald der Kleine freigekommen war, schlang er Manny die Ärmchen um den Nacken und hielt sich verzweifelt an ihm fest.
    Manny klappte das Taschenmesser zusammen, steckte es wieder ein und wehrte sich gegen die aufkommende Panik. Denn wie sollte er sich mit der verletzten Schulter und mit dem Jungen auf dem Arm aus dem Wagen stemmen?
    “Geben Sie mir das Kind!”
    Beim Klang der Frauenstimme erschrak Manny fürchterlich. Er blickte hoch, sah aber nur Arme, die sich ihm entgegenstreckten. Woher kam die Frau? Hatte sie vielleicht im Van gesessen und sich selbst befreit? Nein, unmöglich. Aber wie …
    “Schnell, wir haben nicht viel Zeit!”
    Mit dem gesunden Arm hob er das Kind hoch, das sich dabei jedoch schreiend an ihm festhielt.
    “Schon gut, Schatz, ich habe dich”, sagte die Frau sanft und beruhigend.
    Manny löste den Klammergriff des Kleinen so behutsam wie nur möglich, während die Frau beschwichtigend weitersprach und das Kind hochzog. Kaum waren die beiden aus seiner Sicht verschwunden, als Manny sich auch schon mit dem rechten Arm und den Beinen aus dem Wagen stemmte.
    Die Frau stand auf dem glatten Dach, drückte das Kind an sich und blickte unsicher zum Ufer. Der Regen prasselte unvermindert heftig auf sie alle herunter und machte jede Bewegung noch schwerer und gefährlicher.
    Manny traf rasch eine Entscheidung, ließ sich vom Wagendach gleiten und fand auf dem nassen Treibholz und den Zweigen einen einigermaßen festen Halt. “Geben Sie ihn mir wieder”, sagte er und streckte der Frau den Arm hin. “Ich stütze Sie, wenn Sie herunterkommen.”
    Sie zögerte. “Sie haben sich am Arm verletzt. Können Sie das Kind denn halten?”
    “Es ist nur eine Prellung.”
    Die Frau wirkte nicht überzeugt, reichte ihm aber den Jungen, der sich sofort wieder an seiner schwarzen Lederjacke festkrallte. Die Fremde stieg vom Wagendach und Manny gab ihr Halt. Schließlich standen sie beide am schlammigen Ufer.
    “Ist noch jemand im Wagen?” Sie schrie, um das Rauschen von Wind und Wasser zu übertönen.
    Manny schüttelte den Kopf.
    Die Frau wandte sich zum Wagen und drehte sich dann wieder zu ihm um. Erst jetzt konnte Manny sie genauer betrachteten. Sie reichte nicht ganz an seine eins achtzig heran. Das nasse lange Haar klebte ihr auf dem Rücken. Die neongelbe Regenjacke wirkte an ihrer schlanken Gestalt drei Nummern zu groß. Er schätzte sie auf Mitte zwanzig, womöglich war sie auch jünger. In der Dunkelheit erkannte er nicht, welche Farbe ihre Augen hatten – große, faszinierende Augen, die Sanftheit und gleichzeitig Stärke verrieten. Im Moment war sie jedoch sichtlich verstört.
    Manny überlegte, ob der Mann, der den Minivan gefahren hatte, vielleicht doch noch lebte. Der Kerl war in Del Rio in Panik geraten und hatte vermutlich direkt zu seinem Boss fahren wollen.
    In all den Jahren, in denen Manny nun schon als verdeckter Ermittler in der Operation “Wiegenlied” Kinderschmuggler jagte, war er keinem von ihnen so weit von der Grenze weg gefolgt. Normalerweise wurden die Kinder in Mexiko entführt, und nachdem sie über die Grenze geschleust worden waren, in den texanischen Großstädten verkauft. Die Vorstellung, dass Entführer, die auch vor einem Mord nicht zurückschreckten, und ihre Handlanger in einer vermeintlich sicheren Kleinstadt lebten, beunruhigte ihn.
    Da es jedoch unmöglich wäre, sich noch in dieser Nacht Gewissheit zu verschaffen, schob Manny seine Bedenken beiseite. Das Kind war jetzt viel wichtiger. Während er den Kleinen mit dem gesunden Arm festhielt, stützte er mit der verletzten Schulter die

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