So schön kann Küssen sein
Manny plötzlich merkte, dass er, so durchnässt wie er war, bereits einen kleinen See auf dem Holzfußboden hinterlassen hatte, trat er rasch auf einen der Läufer. Das Kind drückte er dabei fest an sich. Es tat ihm leid, dass er einen Namen hatte erfinden müssen. Doch wie es aussah, musste er den Kleinen vorerst und trotz der laufenden Ermittlungen bei sich behalten.
Manny schaute sich um. Der geräumige Küchenbereich war vermutlich in den vierziger Jahren eingerichtet worden. Der Kühlschrank lief mit Propangas. Darauf stand ein Ventilator. In dem vom Fußboden bis zur Decke reichende Raumteiler waren die Vorräte untergebracht. In der Mitte der Küche diente ein fünfzig Zentimeter dicker Hackblock als Tisch.
Die altmodische Einrichtung erinnerte ihn an Häuser in Mexiko. Alles sah abgenutzt, aber gepflegt und sauber aus.
Randi öffnete die Klappe des großen gusseisernen Herds und legte klein gehacktes Holz hinein. Diese Herde waren in einigen Gegenden des Westens sehr in Mode gekommen, doch Manny bezweifelte, dass Randi ihn sich deshalb angeschafft hatte. Randis Herd stand wohl schon seit ewigen Zeiten hier.
Sie entzündete das Holz und schloss die Herdklappe. “Gleich wird es warm”, versicherte sie, sah ihn flüchtig an und blickte wieder weg. “Ich hole Handtücher und eine Decke für das Kind.”
Betroffen stellte Manny fest, dass er ihr nicht nur mit dem üblichen Interesse eines FBI-Agenten nachsah. Ihre haselnussbraunen Augen hatten ihn erneut abgelenkt. Wenn sie sprach, wirkte sie ein bisschen wie ein schüchternes Reh. Ihre Haut war sehr hell mit einigen Sommersprossen auf der Nase. Sie war durchschnittlich groß, und er fand sie etwas zu mager. Doch ihre Hüften waren verführerisch gerundet. Das erklärte aber noch lange nicht das Verlangen, das jedes Mal in ihm aufstieg, wenn ihre Blicke sich trafen.
Randi kam mit einem Stapel Handtücher und ein paar Decken zurück. “Geben Sie mir Ricky, ziehen Sie die Jacke aus und trocknen Sie sich ab.”
Nachdem sie Handtücher und Decken abgelegt hatte, reichte er ihr den Kleinen und entledigte sich der nassen Lederjacke. Im Raum war es bereits überraschend warm, doch Manny war sich nicht ganz sicher, ob das an dem Feuer im Herd oder an der Nähe dieser Frau lag.
Während er die Stiefel auszog, fiel ihm der Geruch von brennendem Mesquiteholz, getrockneten Kräutern und Orangen auf, und er hatte das seltsame Gefühl, schon einmal hier gewesen zu sein. Es war fast so, als sei er nach Hause zurückgekehrt. Vielleicht kam das daher, dass ihn er hier Zuflucht gefunden hatte und dieses Haus ihn an das seiner Großmutter in Mexiko erinnerte.
In jeder Hand einen mit Wasser gefüllten Stiefel, stand Manny regungslos da und sah zu, wie Randi das Kind auszog und sein Haar mit einem Handtuch trocknete. Dabei ging sie mit Ricky so warmherzig und mütterlich um, dass es Manny völlig verwirrte.
Verdammt, diese Frau konnte unmöglich etwas mit den Kinderhändlern zu tun haben. Das war ausgeschlossen.
Zum ersten Mal, seit er den Diensteid geleistet hatte, hasste er seine Arbeit, weil sie es häufig mit sich brachte, dass er sich für etwas ausgab, das er nicht war, und anständigen Menschen Angst machte.
Doch sollte es hart auf hart kommen und Randi doch etwas mit den Schmugglern zu tun haben, würde er seine Pflicht erfüllen und sie festnehmen. Die skrupellosen, international arbeitenden Kinderhändler verdienten keine Gnade. Er konnte nur hoffen, dass diese Frau wirklich so harmlos und unschuldig war, wie sie wirkte. Und er musste seine Gefühle beherrschen und aus ihrem Haus und ihrem Leben verschwinden, bevor er seinen Wünschen nachgeben würde und damit nur Schaden anrichtete.
2. KAPITEL
“Das Telefon hängt hinter Ihnen an der Wand”, sagte Randi. “Ich finde, Sie sollten den Sheriff anrufen.” Sie hielt Ricky mit einer Hand fest, während sie sich zu Manny drehte. “Wir sollten Ihren Unfall melden, damit etwas unternommen werden kann.”
Bevor er mit dem Sheriff sprechen würde, musste Manny sich mit seinem Boss bei der Operation “Wiegenlied” in Verbindung setzen. Wortlos schob er die durchweichte Lederjacke und die Stiefel in den Flur zu den anderen nassen Sachen und nahm den Hörer ab. “Die Verbindung ist unterbrochen.”
“Ach du lieber Himmel, das Unwetter ist noch schlimmer, als ich dachte. Dann fällt der Strom auch bald aus.” Randi wickelte das Kind in eine dicke Decke und reichte es Manny. “Neben der Flurtür geht es
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