So schön kann Küssen sein
Sie alles gefunden, was Sie brauchen?”
“Ich habe gar nicht erst gesucht”, erwiderte er leise lachend. “Ich habe nur unsere nassen Sachen im Vorraum auf die Wäscheleine gehängt. Ricky wird einiges brauchen, was Sie wahrscheinlich nicht haben.”
Sie holte ein rechteckiges weißes Tuch aus dem Korb. “Zum Beispiel so etwas?”, fragte sie und lachte, als er sie erstaunt ansah. “Windeln. Meine Mom hat in einer Truhe eine Menge Babysachen aufgehoben für ihre Enkel.” Verlegen fügte sie hinzu: “Meine Mutter war eine unverbesserliche Optimistin.”
Randi streckte ihm die Arme entgegen, damit Manny ihr das Kind gab. Das war ein ziemlich gewagtes Manöver. Schließlich hatte er nur ein Handtuch um die Hüften geschlungen, und die Decke drohte ihm von den Schultern zu rutschen.
Randi legte das Kind auf den Teppich vor dem Kamin und öffnete das verknotete Handtuch, das er als Windel benutzt hatte. “Das haben Sie recht gut gemacht. Das Handtuch war ein ausreichender Ersatz.”
“Not macht erfinderisch”, entgegnete Manny.
Randi wickelte Ricky geschickt und zog ihm einen weichen gelben Strampelanzug mit Kapuze an. Der Kleine sah darin beinahe wie ein Osterhase auf. Es fehlten nur noch die Schlappohren.
“Seine Haut ist warm, aber es gefällt mir nicht, dass er so still ist”, sagte sie besorgt.
“Ja, darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Ich glaube, er hat einen Schock. Die Haut ist nicht feucht. Ich fürchte, er leidet an Flüssigkeitsmangel. Vielleicht ist das auch schon das erste Stadium von Unterernährung. Der Bauch ist jedenfalls angeschwollen.”
Mit einem Ruck fuhr sie zu ihm. “Ihr Sohn ist am Verhungern?”, fragte sie ungläubig.
“Das ist nicht mein Kind, Randi”, erklärte Manny. Bisher war er gar nicht auf die Idee gekommen, sie könnte das denken. Aber vielleicht wäre es besser gewesen, er hätte Randi die Wahrheit verschwiegen. Denn damit hätte er sich wahrscheinlich eine Menge Probleme und Erklärungen erspart.
“Wenn das nicht Ihr Kind ist, wieso sind Sie dann in diesem Unwetter mit ihm durch die Gegend gefahren, und wo ist die Mutter?”
Gute Fragen, die er im Moment aber nicht beantworten wollte.
“Könnten wir später darüber reden? Ich bin Polizist, Randi, und mache nur meine Arbeit. Ich versichere Ihnen, dass Ihnen nichts passieren wird, und irgendwann erkläre ich Ihnen alles. Jetzt müssen wir dem Kleinen etwas zu trinken geben.”
Randi zögerte nur kurz, ehe sie wieder in den Korb griff. Manny fand es erstaunlich, dass sie nicht auf weiteren Erklärungen bestand. Eine Zurückhaltung, die ihn misstrauisch machte. Wusste sie mehr, als sie zeigte?
Sie zog ein Babyfläschchen aus dem Korb. “Von solchen Fläschchen habe ich genug gefunden, aber es gab nur einen Sauger, den man noch verwenden kann”, meinte sie und stand auf. “Für Notfälle habe ich destilliertes Trinkwasser. Ricky ist schon groß genug, da genügt es wahrscheinlich, wenn wir die Fläschchen auswaschen. Wir müssen sie nicht sterilisieren. Dadurch sparen wir eine Menge Zeit.”
Randi reichte Manny das Kind, ging zur Küche, drehte sich an der Tür aber noch einmal um. “Wenn Sie glauben, dass Sie mir wegen des Kindes keine Antwort schuldig sind, täuschen Sie sich. Ich will alles wissen.”
Als sie bald darauf wieder zurückkam, nahm sie ihm Ricky wieder ab und drückte ihn behutsam an die Brust. Es dauerte eine Weile, bis sie ihn dazu gebracht hatte, den Sauger in den Mund zu nehmen, aber endlich trank er durstig.
Manny atmete erleichtert auf. Er hatte dem Kind versprochen, es zu versorgen, und er wollte alles in seiner Macht Stehende tun, um dieses Versprechen zu halten.
Der Anblick von Randi mit dem Baby weckte jetzt allerdings Gefühle in ihm, die besser verborgen geblieben wären. Schon vor langer Zeit hatte er den Wunsch nach einer Frau und einer eigenen Familie begraben. Seit etlichen Jahren hatte er keine Verbindung mehr zu seinen Angehörigen. Seine Nichten und Neffen müssten seit dem letzten Zusammentreffen mit ihm schon fast erwachsen sein.
Daran, wie lange es her war, dass er die Nähe einer Frau genossen hatte, wollte Manny lieber gar nicht denken. Doch der Anblick von Randi mit dem Baby wirkte sehr erotisch auf ihn. Verdammt, wenn dieser Einsatz vorbei war, sollte er sich eine reizende kleine Señorita suchen.
“Ich habe Wasser auf dem Herd aufgesetzt.” Randi flüsterte, um Ricky nicht zu stören. “Irgendwo muss ich auch noch Milchpulver haben.
Weitere Kostenlose Bücher
Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Online Lesen
von
Mike Krzywik-Groß
,
Torsten Exter
,
Stefan Holzhauer
,
Henning Mützlitz
,
Christian Lange
,
Stefan Schweikert
,
Judith C. Vogt
,
André Wiesler
,
Ann-Kathrin Karschnick
,
Eevie Demirtel
,
Marcus Rauchfuß
,
Christian Vogt