So schoen Tot
Freier nach hinten geht. Rasch gehe ich weiter. Mir ist nämlich eingefallen, dass mein neuer Plan zwar ursuper ist, mir dazu aber noch was ganz Wichtiges fehlt: ein Generalschlüssel für die Zimmer.Was aber für jemanden wie mich kein großes Problem darstellt. Das erste Zimmermädchen, das mir allein begegnet, remple ich an, indem ich so tue, als würde ich stolpern. Das ist mir natürlich voll peinlich, ich entschuldige mich hundert Mal und helfe ihr, die Badetücher, Klopapierrollen und Miniaturseifen wieder einzusammeln, die im ganzen Gang verstreut liegen.
Mit ihrer Schlüsselkarte in der Tasche mache ich mich auf die Suche nach der Dienstmädchenkammer.
»Was wollten Sie gerade sagen? Sie haben eben mit ›Das heißt‹ begonnen.«
»Na ja, die Gäste waren ganz normal. Aber das Personal … Sie waren alle superfreundlich, das hab ich eh schon gesagt, aber irgendwie war da immer das Gefühl, dass das nicht ganz echt sein kann.«
»Das ist aber keine große Erkenntnis. Es weiß doch jeder, dass für die Leute im Gastgewerbe der Gast das Schlimmste an ihrem Job ist.«
»Das weiß ich doch auch, aber die haben hinter ihrem Lächeln noch was anderes versteckt. Irgendetwas …«
Die Uniform steht mir ausgezeichnet. Zwei Nummern zu eng, sodass die richtigen Stellen schön betont werden. Wenn mir jemand entgegenkommt, sieht er nur das. Bei den anderen Zimmermädchen wird das nicht funktionieren, aber da hilft die riesige rosa Sonnenbrille, die ich in einem Schrank gefunden habe.
Schon im ersten Zimmer wartet der Jackpot auf mich. Volle Brieftasche, dicke Rolex und gut 15 Gramm Koks. Den lasse ich aber liegen, damit habe ich seit meinem Entzug nichts mehr am Hut, und verscherbeln ist mir hier im Hotel zu riskant. Nicht mit einer Polizistin im Haus. Außerdem wird sich der Besitzer hüten, den Diebstahl zu melden,wenn er mindestens zweieinhalb Jahre Knast in seinem Zimmer herumliegen hat. In den nächsten vier Zimmern ist es ähnlich. Koks hat zwar nur mehr einer, aber Geld und Uhren in Hülle und Fülle. Bingo! Mein Plastiksackerl ist fast voll, und ich habe gerade noch Zeit für ein weiteres Zimmer, bevor ich zu Sven muss. Im letzten Zimmer liegt nichts herum, gar nichts, wohl so ein Sicherheitsfreak, der seine Sachen in den Hotelsafe gibt. Oder ganz schlau im Badezimmer versteckt.
Dort finde ich dann auch die Leiche. Sonst ist nichts Interessantes drin, nur der mausetote Mann mit dem Loch mitten in der Stirn. Er kommt mir bekannt vor, so ein friedhofsblonder Gruftie, den ich gestern irgendwo gesehen habe, aber das ändert auch nichts daran, dass er tot ist und ich mich ganz schnell wieder aus dem Staub mache.
Das Plastiksackerl versenke ich im Spülkasten meines Nachbarzimmers – gelernt ist gelernt! –, und dann renne ich zum Shiatsu-Behandlungsraum, weil ich spät dran bin und keine Lust habe … Aber da höre ich schon meinen Namen über die Lautsprecher: »Melanie zum Shiatsu!« Dieses Hotel ist der blanke Wahnsinn. Beim Militär hat man mehr Entspannung!
Ich lasse mich auf die Matte fallen und beiße die Zähne zusammen, als Sven, der Folterknecht, meinen Körper malträtiert. Heute ist es noch schlimmer. Er streicht neben meinem Fußknöchel auf und ab, und es fühlt sich an, als würde er glühende Kohlen draufdrücken. Und die ganze Zeitknurrt mein Magen dazu, weil das Mittagessen ja ausgefallen ist.
Zum Abschied lächelt er. Jetzt bin ich mir sicher: Der Typ ist ein Sadist.
Ganz langsam und sehr, sehr vorsichtig schleppe ich mich zum Abendessen, das wieder obergeil ist, aber beim Abräumen vergesse ich das sofort wieder. Vor dem Einschlafengratuliere ich mir selbst zum gelungenen Bruch. Wenigstens etwas, sonst wäre dieser Wellnessurlaub der komplette Reinfall. Noch bevor mein Kopf auf den Polster trifft, schlafe ich ein.
»… irgendetwas geht in diesem Hotel vor.«
»Richtig, deshalb sind wir ja hier. Und Sie sollen uns dabei helfen, genau das herauszufinden.«
»Das tue ich ja. Ist doch die Pflicht eines guten Bürgers und so. Ich sage Ihnen alles, was ich weiß, ehrlich. Also, das Personal war seltsam, und dann …«
Meine Augen weigern sich aufzugehen, und jeder einzelne Teil meines Körpers applaudiert. Ja, wir wollen heute im Bett bleiben! Doch daraus wird nichts. Wenn ich zumindest noch einen Kaffee ergattern will, muss ich schnell sein, denn in einer Viertelstunde beginnt die nächste Therapie.
Pilatus, oder wie das heißt, werde ich
Weitere Kostenlose Bücher