So schoen Tot
Brot ordere. Ja, gut, drei Spiegeleier auf drei Broten, in rascher Abfolge. Nachtarbeit macht hungrig.
Der Professor hat zwischenzeitlich Olgas spontane vorzeitige Abreise »aus beruflichen Gründen« an der
Reception
gemeldet, und weil er ja alle Kosten übernimmt, ist das auch überhaupt kein Thema. Ich wähne die Angelegenheit als erledigt.
Bis mich der Professor noch am selben Abend zur Seite zieht, als ich gerade im hauseigenen weißen Bademantel auf dem Weg zur
Paradiso Saunawelt
bin und mir überlege, ob ich mir die finnische Außensauna mit Panoramablick gönne oder doch lieber nur in der komfortablen Bademantelzone der »Brunnenstube« das gesunde Schönrieder Quellwasser schlürfe.
»Der Filipino!«, raunt er mir zu und führt mich an der Poolbar vorbei in einen Nebenraum und dort zu einem Handtuchaufbewahrungswandschrank im Altschweizer Stil mit der geschnitzten Aufschrift
1779
. Er zieht die Tür auf, und der Filipino, von Natur aus winzig gestaltet, also noch kleiner als Tom Cruise und somit wandschrankverklappbar, purzelt heraus. Blutleer, reglos, tot.
Der Professor sieht mich waidwund an. »Ausgerechnet bei uns in der schönen Schweiz«, lese ich in seinem Blick, während wir den Filipino wieder in den Wandschrank stopfen, bevor jemand vorbeikommt und ihn sieht.
Vor drei Jahren, auf dem Jahrestreffen in Kolumbien, tja, da hat jeder mit allem gerechnet, vor allem bei der optionalen Exkursion ins Hinterland, wo es eine fabelhafte Spontanschießerei mit ortsansässigen Kokainhändlerngab. Aber keinem von uns war damals auch nur ein Härchen gekrümmt worden. Und jetzt diese Bescherung im schönen Saanenland.
»Der muss hier weg«, murmelt der Professor, und ich nicke nur.
Nachdem ich mich angezogen habe, hole ich den Maserati des Filipinos und parke ihn seitlich neben dem Hotel. Es ist schon früh dunkel an diesem Novemberabend, und so gut wie alle befinden sich in einer der acht Restaurantstuben des Hotels und genießen Wachtelbonbons oder wahlweise Tofusoufflé oder was auch immer, darum merkt auch niemand, wie ich den doch ziemlich lädierten Filipino in den Kofferraum wuchte. Ich fahre wieder zu dem leer stehenden Chalet in Saanenmöser, wo ich den Maserati parke und den Filipino zu Olga in den Geräteschuppen lege. Es ist sehr kühl in diesen Spätherbsttagen, die beiden fangen noch lange nicht an zu riechen.
Anschließend erreiche ich den letzten Zug nach Schönried. Am meisten verstimmt mich bei alldem natürlich, dass für mich an diesem Tag das Abendessen ausfällt. Dabei gibt es Schokoladenbüfett. Lästig!
Lästig! Denke ich auch am nächsten Morgen, als ich auf dem Weg zu meiner morgendlichen Swimmingpoolrunde vor dem Frühstück – einer dunklen Ahnung folgend – sämtliche Bauernschränke und -truhen auf meinem Weg öffne. Und derer gibt es viele im
Paradiso
. Beinahe hätte ich erleichtert aufgeatmet, weil ich erst nicht fündig werde. Doch dann fällt mir vor der Deko-Truhe neben der Tür zur Relax-Whirlgrotte ein winziger roter Fleck auf, und als ich in die Truhe schaue, blickt mir Augusto, der Argentinier, mit traurigen Augen entgegen. Traurigen
toten
Augen.
»Verdammt!«, brummt es da ungnädig hinter mir. Ich lasse den Truhendeckel fallen und taste in meiner Bademanteltasche nach meiner Reise-Beretta, aber es ist keinAngestellter des Hotels, der aufgebracht hinter mir steht, sondern Harry Hasli, der Professor, der mir gleich darauf mitteilt, dass er unsere Kollegen Arnaldur aus Island und Luigi aus Sizilien tot in der Dampfsauna aufgefunden hat.
Wie gesagt: lästig! Zumal alle drei mit dem Zug angereist sind und ich mir nun überlegen muss, wie ich sie ohne Auto zu dem Chalet in Saanenmöser verfrachten soll. Letzten Endes tue ich das im Volvo-Kombi des Professors. Es ist mühsam, aber ich bin noch vor dem Abendbüfett mit allem fertig und wieder zurück.
Dieses Abendessen wird mir unvergesslich bleiben.
Wir sind nur noch zu viert.
Ilija und Igor hat der Professor kurz vorher in der Kristall-Saunatherme ebenso mausetot aufgefunden wie Liz und Mike Stansfield und die sächsischen Killerzwillinge im Sitzkaltwasserbecken beziehungsweise in der Lady Biosauna. Ich weigerte mich, die sechs vor dem Abendessen zu entsorgen, zumal ich dafür zeitaufwändig einen Kleinbus hätte organisieren müssen, und ich wollte wirklich nicht noch einmal das leckere Büfett verpassen, also lagerten wir sie in einem der großen Hotelmüllcontainer zwischen, sauber unter Plastikplanen
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